Der Berliner Senat erließ für Demonstrationen mit mehr als 100 Teilnehmern eine Maskenpflicht, geltend ab nächsten Samstag. Die Polizei hatte die Demonstrationen vom Wochenende unter Hinweis auf die Infektionsgefahr und zu erwartende Verstöße gegen Abstandsregeln zu verbieten versucht, Gerichte hatten das aber vereitelt. Am Samstag hatten dann am Rande der Demonstrationen mit annähernd 40.000 Teilnehmern nach Angaben der Polizei 300 bis 400 Demonstranten Absperrgitter am Reichstagsgebäude überrannt und die Freitreppe vor dem Portal des Bundestagssitzes besetzt. Dabei wurden unter anderem schwarz-weiß-rote Reichsflaggen geschwenkt. Zudem gab es anderenorts Stein- und Flaschenwürfe von "Reichsbürgern" und Rechtsextremisten auf Polizisten.
Es gebe Hinweise, dass auch einige Österreicher an dieser Demonstration teilgenommen hätten, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz der "Bild". Jetzt gelte es festzustellen, ob sie sich strafbar gemacht hätten, und das zu sanktionieren. Kurz zeigte sich "unglaublich schockiert" über die Ereignisse. Es sei legitim, unterschiedliche Meinungen zu äußern und zu demonstrieren. "Aber Gewaltbereitschaft, Rassismus, rechtsradikale Parolen, Antisemitismus, das hat in unserer Gesellschaft einfach keinen Platz, das gehört auch massiv bekämpft."
Gegner der staatlichen Corona-Politik wollen in Berlin nun täglich an der Siegessäule demonstrieren, wie sie im Messengerdienst Telegram ankündigten. Es gehe um "Demokratie und Meinungsfreiheit und gegen die Corona-Maßnahmen".
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Montag Gegner der staatlichen Corona-Maßnahmen davor gewarnt, sich "vor den Karren von Demokratiefeinden und politischen Hetzern spannen zu lassen". Am Dienstag ging er im rbb-Sender Radioeins aber nicht davon aus, dass die Gesellschaft durch die Pandemie gespalten wird. Man dürfe sich "nicht völlig verrückt machen lassen von dem, was wir da sehen", sagte er. "Es sind, wenn man den Umfragen glauben darf, 80 Prozent der Menschen, die trotz aller Belastungen und trotz des Ärgers und obwohl der Mundschutz nervt, nach wie vor einverstanden sind mit den beschränkenden Maßnahmen." Der Blick auf die Corona-Krise verstärke allerdings "die Sicht auf die Spaltungen, die es vorher auch schon gab."
Der Verfassungsschutz beobachtete bei den Protesten "eine starke rechtsextremistische Komponente, die aggressiv und gewalttätig durch Störaktionen auftrat". Die Befürchtungen der Behörde hätten sich bestätigt, sagte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang. Sie habe vor den Demonstrationen "eine verstärkte Mobilisierung durch Rechtsextremisten" festgestellt und Vertreter verschiedener Bereiche des Rechtsextremismus dort auch gesehen. Er fügte hinzu: "Insbesondere an den spontanen Aktionen haben relativ viele Anhänger der Reichsbürger-Ideologie teilgenommen."
Auch der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich besorgt. "Seit Monaten werden in der Corona-Debatte Verschwörungsmythen mit antisemitischer Grundtendenz bewusst geschürt." Dafür machte er in der "Bild"-Zeitung (Dienstag) unter anderem "sehr rechte und rechtsextreme Gruppen" verantwortlich, die sich unter die Demonstranten gemischt hätten.