Angesichts steigender Infektionszahlen verschärft die ungarische rechtsnationale Regierung die Corona-Bestimmungen und schließt ab Dienstag die Grenzen des Landes. Ausländische Staatsbürger dürfen damit nur mit begründeter Ausnahme ungarisches Territorium betreten. Ausnahmen gibt es für Pendler und Geschäftsreisende.
Ab dem 1. September müssen nach Ungarn zurückkehrende ungarische Staatsbürger 14 Tage in Quarantäne bleiben, außer wenn sie zwei negative Coronavirus-Tests während der Quarantäne aufweisen können, die in einem Abstand von zwei Tagen gemacht wurden. Sieben Grenzübergänge bleiben rund um die Uhr und drei weitere tagsüber geöffnet. Internationaler Personen- und Gütertransitverkehr ist ausschließlich über den Autobahngrenzübergang Nickelsdorf (Ostautobahn A4) möglich.
Keine Probleme
Am burgenländischen Grenzübergang Klingenbach (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) hat die Grenzschließung durch Ungarn aufgrund der steigenden Zahl an Coronavirus-Infektionen am Dienstagvormittag für keine Probleme gesorgt. Sowohl bei der Ausreise aus Österreich als auch bei der Einreise gab es für die Pendler kaum Wartezeiten, wie ein APA-Lokalaugenschein zeigte.
Die Kontrollen bei der Ausreise aus Österreich wurden schnell abgewickelt, nur selten reihten sich mehr als ein Dutzend Autos und Lkw in die Schlange, um auf den Grenzübertritt zu warten. Zwischendurch löste sich die Kolonne an Fahrzeugen, hauptsächlich mit ungarischem, teilweise aber auch mit österreichischem Kennzeichen, sogar ganz auf. Die Wartezeiten betrugen kaum mehr als fünf Minuten.
Noch weniger los war bei der Einreise nach Österreich. Nur vereinzelt wollten Autos aus Ungarn kommend die Grenze passieren. Für sie ging es ohne Wartezeit weiter nach Österreich. Auswirkungen der Grenzschließungen waren folglich kaum zu spüren.
Der Grenzübergang in Klingenbach ist ganztägig geöffnet. Internationaler Transitverkehr ist jedoch nur über den Grenzübergang Nickelsdorf auf der Ostautobahn (A4) möglich.
März-Szenario blieb in Nickelsdorf bisher aus
Seit Mitternacht sind die ungarischen Grenzen coronavirusbedingt bis auf einige Ausnahmen geschlossen. Auswirkungen wie im Frühjahr, wo Lkw- und Pkw-Staus zig Kilometer Länge erreichten, seien bisher nicht festzustellen, hieß es Dienstagmittag von der Polizei auf APA-Anfrage. Auch am für den Transitverkehr geöffneten Autobahngrenzübergang Nickelsdorf blieb ein Szenario wie das vom März bisher aus.
Bei der Pkw-Ein- und Ausreise habe es in Nickelsdorf auf beiden Seiten von in der Früh an Verzögerungen von etwa 20 Minuten gegeben. Mittlerweile dauere es etwa 20 bis 30 Minuten bei der Einreise nach Ungarn, bei der Einreise nach Österreich sei die Verzögerung gering: "Der Verkehr fließt", sagte Oberstleutnant Helmut Marban von der Landespolizeidirektion Burgenland.
Einen Rückstau gebe es bei der Lkw-Ausreise, wo sich vor dem Grenzübergang ein schätzungsweise etwa vier Kilometer langer Stau gebildet hatte. Der Verkehr bewege sich aber auch bei den Lkw. Der Lkw-Rückstau sei auch nicht unbedingt durch die Grenzschließung seit Mitternacht indiziert, da der Warenverkehr ohnedies unbeschränkt laufe. "Das ist einfach eine Abfertigungssituation, die auf der ungarischen Seite entsteht bei der Lkw-Ausreise", so Marban.
Aus Sicht der Exekutive sei dies aber nicht besorgniserregend: "Das sind keinesfalls diese Bilder, die wir im März gehabt haben." Im Vergleich zur damaligen Lage sei die Situation nun deutlich entspannter.
Dass auf ungarischer Seite Abweisungen passiert wären, habe er bis jetzt nicht mitbekommen, schilderte Marban. Auch an den nur zur bilateralen Nutzung geöffneten Grenzübergängen sei die Lage bisher ruhig, es habe keine Probleme bei der Abfertigung gegeben.
Die Voraussetzungen bei der Ausreise via Nickelsdorf seien andere als im Frühjahr: Auf ungarischer Seite gebe es einen Korridor für Transitreisende mit vorgeschriebenen Raststationen, diesmal jedoch keine zeitliche Begrenzung. Insofern habe es hier bisher auch keine Probleme vergleichbar mit der Situation im März gegeben. Damals seien auch Angehörige anderer Staaten betroffen gewesen wie etwa Serben, die coronavirusbedingt nicht in ihr Heimatland einreisen durften und die auf einen zeitlich begrenzten Korridor warten mussten.
Die jetzige Situation mache eine Verstärkung der Polizeikräfte nicht notwendig, meinte Marban. "Wir sind aber natürlich auf alle Eventualitäten vorbereitet." Notfalls könne man beispielsweise verkehrsleitende Kräfte zuführen. Außerdem werde die Polizei im Assistenzeinsatz von Kräften des Bundesheeres bestens unterstützt. Verstärkungen seien bisher kein Thema: "Da haben wir mit den eingesetzten Kräften das Auslangen."
Nehammer lobt Kooperation Budapests
Die einseitigen Grenzschließungen Ungarns auch zu Österreich trüben die bilateralen Verhältnisse offenbar nicht. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) begrüßte bei einer Pressekonferenz außerordentlich die Kooperationsbereitschaft seines ungarischen Amtskollegen Sandor Pinter. Dessen Dialogbereitschaft sei "sehr, sehr groß".
Es gebe eine ganz enge Verbundenheit zu Ungarn, auch wirtschaftlicher Natur. Daher brauche es einen laufenden Abstimmungsprozess. Auch von ungarischer Seite habe man ein Interesse, dass ein hohes Maß an Flexibilität bestehe. Eine Zeit lang werde man sich aber immer wieder abstimmen müssen, glaubt Nehammer.
Für die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon zeigt die heutige "Grenzschließungen in Ungarn - inklusive verwirrender Regelungen", wie "dringend wir einheitliche Grenzregelungen in Europa brauchen". Sie begrüßte in einer Aussendung am Dienstag "die Pläne der deutschen Ratspräsidentschaft, die Grenzregelungen in Europa zu vereinheitlichen" und erwartete sich diesbezüglich ein konstruktives Verhalten der Bundesregierung.
Kritik aus Österreich
In Österreich sorgte die Maßnahme des Nachbarlands vor allem bei Wirtschaftskammer und Industriellen Vereinigung für Kritik. Künftig sind Geschäftsreisen von Österreich nach Ungarn nur dann vom Einreiseverbot ausgenommen, wenn eine österreichische Firma über eine Niederlassung in Ungarn verfügt. Pendler dürfen nur aus dem Umkreis von 30 Kilometern nach Ungarn einreisen und sich dort maximal 24 Stunden aufhalten. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte, das Grenzmanagement werde "so wie im Frühjahr - durch Ausnahmeregelungen und enge Abstimmung - ablaufen".