Auf einem Tisch gleich nach dem Eingang ins Klassenzimmer stehen Desinfektionsmittel, manche Schüler tragen Mund-Nasen-Schutz, den sie erst an ihrem Sitzplatz abnehmen – und Abstand zwischen den Sitzreihen wird natürlich auch gehalten.
Unter größtmöglichen Corona-Vorsichtsmaßnahmen startete gestern die erste Sommerschule Österreichs. Statt spielen, baden, wandern, eben Freizeit, steht zwei Wochen lang Deutschlernen in Kleingruppen auf dem Programm. „Durch das Modell sollen durch den Corona-Lockdown entstandene Defizite in der Unterrichtssprache ausgeglichen werden“, so die Begründung des Projekts.
12.200 Schüler sind in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland für die Sommerschule angemeldet, in den anderen Bundesländern startet sie am 31. August. Für die laut aktualisierten Zahlen des Bildungsministeriums insgesamt rund 24.400 Teilnehmer wird es bundesweit 1800 Gruppen an 500 Standorten geben. Rund 1400 Lehramtsstudenten übernehmen einen Teil des Unterrichts oder sogar ganze Klassen. Die Teilnahme an der Sommerschule ist freiwillig und kostenlos. Ist man angemeldet, gilt allerdings Anwesenheitspflicht.
Die Schüler erhalten dafür einen Bonus für die Mitarbeitsnote bzw. die Note im Fach Deutsch im kommenden Schuljahr. Das Angebot wird von 60 Prozent der Schüler, die laut Bildungsministerium Förderbedarf haben, genutzt – und soll im Herbst evaluiert werden. Danach wird über eine mögliche Weiterführung entschieden, betonte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) gestern im Gymnasium von Purkersdorf (NÖ), wo er höchstpersönlich die Sommerschule eröffnete. Dabei verteidigte er gleich das Konzept, das auch bereits auf zahlreiche Kritik stieß: „Es braucht schon sehr viel oppositionelle Fantasie, um dieses Modell der Sommerschule als ungeeignet zu bezeichnen.“
Kritik der Opposition
Für die Neos sind die zwei Wochen Sommerschule nämlich „viel zu wenig“. Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre fordert vielmehr ein ganzjähriges Förderprogramm in allen Hauptfächern und zusätzlich einen Ausbau der Schulpsychologie. Für die SPÖ sind beim Projekt Sommerschule „Enttäuschung und Chaos vorprogrammiert“. Sprachenlernen sei ein langfristiger Prozess, hier brauche es langfristige Förderung und Einbindung von Experten für Sprachförderung, betonte SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid gestern in einer Aussendung. Außerdem sei der Fokus auf Deutsch viel zu kurz gedacht. „ÖVP-Minister Faßmann bleibt jedoch auf der populistischen Linie, die suggerieren soll, es gäbe nur im Deutschunterricht und bei Kindern mit Migrationshintergrund Nachholbedarf.“
„Das Bildungssystem bewegt sich und das ist ein gutes Zeichen“, stellte hingegen Heinz Faßmann fest. Und erhielt prompt Unterstützung von der Purkersdorfer Schuldirektorin Irene Ille. Auch sie ist vom gestarteten „Experiment“ Sommerschule vollauf überzeugt.