Wer das coronabedingte "Babyelefanten"-Gebot verletzt, wird künftig nicht mehr gestraft: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wird in den kommenden Tagen die entsprechenden Verordnungsteile außer Kraft setzen, kündigte er am Dienstag an. Zudem räumte er nach dem Verordnungschaos in seinem Ressort Fehler ein. "Das darf nicht passieren und das ist einfach schlechte Arbeit gewesen, Punkt."
Der Verfassungsgerichtshof hatte vergangene Woche die allgemeinen Corona-Ausgangsbeschränkungen für gesetzeswidrig erklärt, weil sie vom Covid-Maßnahmengesetz nicht gedeckt waren. Auch die formal noch gültigen Abstandsregeln dürften damit laut Juristen wackeln. In einigen Bundesländern hat die Polizei deshalb schon deren Durchsetzung eingestellt, nun wird es statt dem Fleckerlteppich eine bundesweite Lösung geben: Anschober wird in den nächsten Tagen auch den Teil der Verordnung zu den Abstandsregeln außer Kraft setzen, damit komme es dann österreichweit zu keinem Strafvollzug mehr. Er bitte die Bevölkerung aber dennoch dringend, weiterhin Abstand zu halten, appellierte der Minister an die Eigenverantwortung.
Noch laufende Verfahren im Bereich der Ausgangsverbote würden natürlich eingestellt. Das Thema einer nachträglichen Straferlassung sei hochsensibel, werde aber geprüft, meinte Anschober. Weil man auf das VfGH-Urteil umfassend reagieren wolle, stellte Anschober auch eine Überarbeitung des Covid-Maßnahmengesetzes bis September in Aussicht. Kommendes Jahr soll auch das aus dem Jahr 1913 stammende Epidemiegesetz angegangen werden.
Der "Paukenschlag" des VfGH, wie es Anschober selbst ausdrückte, war nicht die erste Schlagzeile im Zusammenhang mit Verordnungen aus dem Gesundheitsministerium. Scharfe Kritik zog etwa der berühmt-berüchtigte "Oster-Erlass" nach sich, laut dem man in Privat-Wohnungen (während des Lockdowns) nur fünf Menschen zusätzlich empfangen hätte dürfen. Dieser wurde dann nach einem öffentlichen Aufschrei wieder zurückgenommen. Zuletzt war es die neue Einreiseverordnung, die nicht nur chaotisch kundgemacht wurde, sondern deren Ausgestaltung von Juristen regelrecht zerpflückt wurde. "Das darf nicht passieren und das ist einfach schlechte Arbeit gewesen, Punkt", gestand der Minister ein.
Die Einreiseverordnung wird nun korrigiert: Kurzfristig sollen die formalen Fehler berichtigt werden, in einem zweiten Schritt soll sie "auf völlig neue Beine gestellt" werden, um sie lesbar zu machen. Anschober wird auch eine Weisung erteilen, um zu garantieren, dass der Verfassungsdienst künftig vor der Veröffentlichung eingebunden wird - bei der Einreiseverordnung war dies ja nicht der Fall. Allfällige Rivalitäten und Unstimmigkeiten mit dem Verfassungsdienst im Kanzleramt stellte Anschober in Abrede.
"Nirgendwo auf der Welt schreibt der Minister selbst Verordnungen", aber er trage natürlich die Letztverantwortung, meinte Anschober. Daher werde man nun eine Strukturveränderung im Haus angehen und das Ministerium "neu aufstellen". Wiewohl die Mitarbeiter enormes geleistet hätten, sei man auf diesen Ausnahmezustand nicht vorbereitet gewesen. Es werde eine umfassende Organisationsreform geben, um Schwächungen etwa durch seine Vorgängerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zu kompensieren, kündigte Anschober an. Geplant ist etwa, das juristische Personal um fünf bis sechs Mitarbeiter aufzustocken.
Scharfe Kritik kam nach Anschobers Auftritt von der FPÖ. "Wären einem freiheitlichen Minister solche Fehler passiert, gäbe es ein Rauschen im Blätterwald und es würde Rücktrittsforderungen hageln", kritisierte Parteichef Norbert Hofer. Für NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker ist dagegen "positiv anzuerkennen", dass Anschober "Fehler zugibt und Besserung gelobt".
Bei der Pressekonferenz verteidigte Anschober außerdem die Vorgangsweise der Behörden beim Corona-Cluster in St. Wolfgang. Beim Freikirchen-Cluster in Oberösterreich vor einigen Wochen war es zu umfassenden Schulschließungen gekommen, die Hotels in St. Wolfgang bleiben aber weiterhin offen. Entscheidend für die Maßnahmen sei, dass das Kontaktpersonenmanagement funktioniere, sagte Anschober. In St. Wolfgang wisse man, wer die Betroffenen sind und könne anders vorgehen. Das Land Oberösterreich sei hier "nicht mit zweierlei Maß vorgegangen", befand der Minister.