Ein westeuropäisches Land, das sich immer viel auf seine Gastfreundschaft zugute hielt, hat ein echtes Dilemma diesen Sommer. In Irland möchte man derzeit lieber nicht an den alten Tourismus-Slogan "Céad Míle Fáilte" (Hunderttausend mal willkommen) erinnert werden – wenn man nicht selbst Hotelier oder Gastwirt ist.

In der Tat fragen sogar manche irischen Wirte argwöhnisch, wer da anklopft an ihrer Tür und Einlass verlangt. In einem Restaurant im Städtchen Tralee, in der Grafschaft Kerry, sind bereits mehrfach US-Touristen abgewiesen worden, als sie auf Befragen zugaben, dass sie sich nicht an die gesetzliche Quarantäne-Pflicht von 14 Tagen in Irland hielten, sondern die Vorschrift ignorierten und durchs Land tingelten, wie es ihnen gefiel.

"Die wollten das einfach nicht glauben"

Ein bisschen "übertrieben" hätten die Abgewiesenen diese Reaktion gefunden, berichtete der Wirt des Croí-Restaurants, Noel Keane. "Die wollten einfach nicht glauben", meinte Keane, "dass man die Pandemie ernst nehmen muss." Vielen Bürgern im Wahlkreis Kerry, bestätigte der örtliche Abgeordnete Michael Healy-Rae, sei halt mulmig zumute angesichts der vielen Ausländer, die "aus infizierten Regionen" kämen, und die sich schlicht nicht kümmerten um Quarantäne- oder Maskenpflicht.

Begreiflich ist die Sorge. Mit vergleichsweise strengen Vorschriften ist es der irischen Regierung gelungen, die Ansteckungsrate im Lande drastisch zu senken. In den letzten Tagen gab es keine Corona-Todesopfer mehr. Gewarnt haben die Behörden allerdings, dass die Infektions-Zahlen derzeit wieder zu steigen beginnen. Und dass von jenseits des Atlantik oder der Irischen See nun neue Fälle eingeschleppt werden, möchte jeder auf der "Grünen Insel" gern vermeiden.

"Stress und Ängste" seien in dieser Hinsicht "weit verbreitet", stimmen darum Parlamentarier aus anderen Tourismus-Gebieten Healy-Rae zu. "Momentan" seien Besucher aus dem Ausland jedenfalls eher "nicht willkommen", verkündet Ronan Glynn, der medizinische Chef-Berater der Regierung. Wobei Glynn vorsichtshalber schnell anfügt, nicht jeder fremde Akzent lege automatisch nahe, dass es sich um Touristen handle – es gebe ja auch fest angesiedelte Immigranten im Land.

Mittlerweile geht das Misstrauen mancherorts aber schon wesentlich weiter. Auch irische Mitbürger, die im Ausland leben, sollen diesen Sommer lieber "draußen" bleiben. Üblicherweise kommen Emigranten in den wärmeren Monaten oft zu Heimatbesuchen nach Irland.Jetzt haben Freunde, Familienmitglieder und Nachbarn den Betreffenden nahe gelegt, um Himmels willen nicht zu kommen – und auch nicht unregistriert via Nordirland über die offene Grenze in die Republik zu "schlüpfen", was technisch möglich wäre.

Letztlich, hat Aussenminister Simon Coveney erklärt, wolle die Regierung ja nicht die Einstellung des Flugverkehrs mit dem Ausland anordnen. Aber dies sei "nicht die Zeit für einen normalen Urlaub" in der "Céad-Míle-Fáilte"-Nation. Wer sich der Quarantäne-Pflicht nicht unterwerfen wolle oder könne, der solle auf gar keinen Fall angereist kommen. Was bedeutet, dass auch viele Iren in Irland gegenwärtig nicht willkommen sind.

Dublin überlegt eine Aufhebung

Unterdessen erwägt man jetzt in Dublin, die Quarantäne-Pflicht für Reisende aus gewissen "sicheren" Ländern erst einmal aufzuheben. Dafür ist offenbar an Stichproben-Tests mit dem Fieber-Thermometer für Anreisende gedacht. Derzeit fliegen nur noch 4.500 Personen aus dem Ausland pro Tag in Irland ein, davon 200 bis 250 aus den Vereinigten Staaten.

Auf den kleinen Aran-Inseln vor Galway, im irischen Westen, hat sich jüngst bei einer Abstimmung eine Mehrheit der Insel-Bevölkerung gegen die von Dublin eingeleitete Lockerung des bisherigen Lockdown ausgesprochen. Die Inseln sind gegenwärtig Covid-19-frei. Die Betreiber der dortigen Pubs, Herbergen und Gaststätten sind freilich verzweifelt über ihre Situation. Manche finden sich dem Ruin nahe.

Statt der sonst mehr als tausend Insel-Besucher aus aller Welt an einem normalen Sommertag erlebt man nun nur noch einen kleinen Strom, überwiegend von "Festland-Iren", die diesmal auf Urlaub im sonnigen Süden Europas verzichten und sich dafür auf den Arans den Wind um die Nase blasen lassen.