Die gesundheitlichen Auswirkungen von Corona mögen, selbst wenn uns der Spätherbst eine zweite Welle einbrockt, beherrschbar sein, die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen Folgen sind noch ein Buch mit sieben Siegeln. Um Betriebe und Beschäftigte vor dem Absturz ins Bodenlose zu bewahren, hat die Regierung ein 38 Milliarden Euro schweres Paket geschnürt, Arbeitsministerin Christine Aschbacher hat in Absprache mit den Sozialpartnern die Kurzarbeit adaptiert.
Krisensitzung am Mittwoch
Dass Teile des Handels, des Gastgewerbes, viele Branchen ums Überleben kämpfen, ist hinlänglich bekannt. Was bisher kaum thematisiert wurde, sind die gewaltigen Löcher, die die Coronakrise in die Haushalte der Sozialversicherungen, ins Pensionssystem, ins Gesundheitssystem reißt. Nach Informationen der Kleinen Zeitung treffen sich am Mittwoch die Spitzen der Sozialversicherungsträger zu einer Krisensitzung, um eine erste Bedarfserhebung vorzunehmen. Die Gespräche mit dem Finanzminister über etwaige Milliardenpakete stehen noch bevor. „Es muss eine Abdeckung der Coronakosten durch den Bund geben“, fordert die stellvertretende Chefin des Dachverbands Ingrid Reischl unmissverständlich.
Teuflische Kombination
Was den Sozialversicherungen finanziell auf den Kopf fällt, ist die teuflische Kombination aus Rekordarbeitslosigkeit, die geringere Beitragszahlungen nach sich zieht, und großzügiger Beitragsstundung für ins Straucheln geratene Unternehmen. Als einziger Akteur wagt sich Andreas Huss, der mit 1. Juli den Vorsitz der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) übernimmt, vor den Vorhang. Huss rechnet 2020 mit einem Budgetloch zwischen 600 Millionen und einer Milliarde. Die höhere Arbeitslosigkeit dürfte der ÖGK, bei der 7,2 Millionen Österreicher versichert sind, ein Minus von 400 Millionen bescheren.
Zwei Milliarden Euro gestundet
Die große Unbekannte sind allerdings die gestundeten Sozialversicherungsbeiträge, also die Basis der Kassen-, Pensionsversicherungs-, AMS-, Spitalsfinanzierung. Um Arbeitgebern und Arbeitnehmern Luft zum Atmen zu geben, hat die Regierung ein umfassendes Steuer-, Kredit- und Sozialabgabenmoratorium verhängt. Der künftige ÖGK-Chef enthüllt, dass im Zuge von Corona Sozialversicherungsabgaben im Ausmaß von zwei Milliarden Euro gestundet worden sind. In normalen Zeiten müssen rund zehn Prozent der gestundeten Beiträge abgeschrieben werden. Sollte nach Auslauf des Moratoriums zur Jahreswende eine Insolvenz- und Pleitewelle Österreich heimsuchen, wäre ein Teil der gestundeten Sozialversicherungsgelder unwiederbringlich verloren.
Galgenfrist bis 2021 für die Spitäler
Zwei der fünf Sozialversicherungsträger sind aus unterschiedlichen Gründen aus dem Schneider: die Beamtenversicherung, die weder Kurzarbeit noch Arbeitslosigkeit kennt, sowie die Pensionsversicherungsanstalt, die in den Genuss einer staatlichen Ausfallshaftung kommt, wo allerdings der Steuerzahler in die Bresche springen muss. Eine Galgenfrist haben noch die Spitäler, weil sich die hochkomplexe Finanzierung aus Bund, Ländern, Gemeinden, SV am Ergebnis des Vorjahres orientiert. 2021 ist dann die Stunde der Wahrheit.