Vermutungen, dass warmes Wetter die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen könnte, gibt es bereits seit seinem ersten Auftreten bei Menschen. Schließlich breiten sich auch Grippeviren insbesondere im feucht-kalten Winter aus. Auch die derzeitige deutliche Entspannung der Lage in Europa scheint für die These eines saisonalen Erregers zu sprechen.

Trotz vieler wissenschaftlicher Untersuchungen zu der Frage ist eine klare Antwort allerdings schwierig: "Viele Atemwegsviren sind saisonal", sagt der Genfer Epidemiologe Antoine Flahault. Auch SARS-CoV-2 könnte durch jahreszeitliche Faktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung oder das menschliche Sozialverhalten beeinflusst werden.

Dafür sprechen verschiedene Indizien. So trat das neuartige Coronavirus beim Menschen erstmals im Winter auf dem chinesischen Festland auf. In der Folge habe es "zwischen Jänner und Mai starke Epidemien in gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel" gegeben, hebt Flahault hervor. In den gemäßigten Zonen der Südhalbkugel, wo in diesem Zeitraum Sommer war, sei das Virus hingegen deutlich weniger aktiv gewesen.

Infektionen nehmen auf der Südhalbkugel zu

Der Leiter des Instituts für globale Gesundheit der Universität Genf weist darauf hin, dass sich die Pandemie mittlerweile auf der Nordhalbkugel - mit Ausnahme einiger US-Bundesstaaten sowie Regionen in Schweden und Polen - abschwäche. Mit dem Herannahen des Winters auf der Südhalbkugel nehme wiederum in Argentinien, Chile, dem Süden Brasiliens und in Südafrika die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu.

"Insgesamt besteht der Eindruck, dass der Sommer einen bremsenden Effekt hat, aber vielleicht ist dieser nur partiell oder führt nicht zwangsläufig dazu, eine - vielleicht gemäßigte - Ausbreitung während des gesamten Sommers in unserer Hemisphäre zu verhindern", resümiert Flahault.