Sie galten als Symbole für den weltweiten Siegeszug von Kapitalismus und Globalisierung: die riesigen Bürotürme in den Geschäftsvierteln der Metropolen in aller Welt. Doch wegen der Coronapandemie haben Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Es wurde still in den Hochhäusern - und das vielleicht auf Dauer.
Denn viele Chefs gehen davon aus, dass ihre Angestellten nach der Krise weiter von zu Hause arbeiten. Angenehmer Nebeneffekt für die Unternehmen: Sie könnten teure Büromieten in den Citys sparen.
Einer, der so denkt, ist Jes Staley, Chef der britischen Bank Barclays. Deren luxuriöse Büroräume liegen im Londoner Bankenviertel Canary Wharf. 7.000 Menschen in ein Gebäude zu pferchen könnte eine "Sache der Vergangenheit" sein, sagt Staley. "Wir werden Wege finden, um für eine viel längere Zeit mit mehr Distanz zu arbeiten."
Viele Chefs internationaler Konzerne sehen das ähnlich. Der französische Autobauer PSA erwägt, die Telearbeit für Mitarbeiter, die nicht in der Produktion tätig sind, zur neuen "Referenz" zu erklären. Betroffen wären davon zehntausende Angestellte. Der US-Dienst Twitter will einigen Mitarbeitern sogar dauerhaft grünes Licht fürs Homeoffice geben.
Angesichts dieser Entwicklung spricht Cydney Roach vom US-Beratungsunternehmen Edelman von einer "Revolution", ausgelöst von einer "geänderten Denkweise" in den oberen Etagen der Bürotürme. Dort seien zwar seit zehn Jahren Überlegungen angestellt worden, wie die Zukunft der Arbeit aussehen könnte. Doch erst die Coronapandemie habe schlagartig klargemacht, dass Heimarbeit funktioniert.
Zwar sei es derzeit noch nicht absehbar, wohin diese Entwicklung genau führt, sagte Roach. Aber "Flexibilität" werde künftig noch größer geschrieben. Dabei sei es jedoch wichtig, dass die Unternehmensspitzen die Angestellten in den Prozess einbeziehen.
Auch Alex Ham, Co-Chef des Börsenmaklers Numis Securities, sagt: "Es wird niemals eine Rückkehr zur Normalität geben." Von Montag bis Freitag ganz automatisch ins Büro zu kommen, das gehöre "ganz einfach der Vergangenheit an", sagte er der britischen Zeitung "The Telegraph".
Das belegt auch eine Umfrage des Immobilienriesen Cushman & Wakefield, für die im April 300 Unternehmen weltweit befragt wurden. Das Ergebnis: 89 Prozent gehen davon aus, dass sich der Trend zum Homeoffice auch nach dem Ende der Coronapandemie fortsetzen wird.
Dieser Trend könnte nach Ansicht der Wissenschafterinnen Clare Lyonette und Beate Baldauf von der britischen Universität Warwick sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern entgegenkommen. Gründe seien vor allem die horrenden Mieten in der Londoner City, aber auch eine höhere Produktivität oder sinkende Fehlzeiten der Mitarbeiter.
Laut Beraterin Roach zählen Immobilien zu den höchsten Kosten bei Unternehmen. Diese müssen in der Coronakrise sparen und könnten deshalb die Ausgaben vor Mieten und Gebäude in den Blick nehmen. Aber Roach schränkte ein: Die Büro-Hochhäuser würden "nicht verschwinden", und sei es nur, um weiterhin in Zentren wie Manhattan Präsenz zu zeigen.
Die Forscherinnen Lyonette und Baldauf weisen noch auf weitere Gefahren langfristiger Telearbeit hin. Diese habe einen negativen Effekt für das Gemeinschaftsgefühl der Unternehmen. Zudem warnen sie vor "sinkendem Wohlbefinden" der Angestellten und geringerer Bindung an die Firma. Die mögliche Folge wären Produktivitätsverluste, die Ersparnisse bei den Büromieten wieder auffressen könnten.
Außerdem ist unklar, ob die Mitarbeiter nicht zu den großen Verlierern gehören, wenn sich Homeoffice nach der Krise im großen Stil durchsetzen. Nach Angaben des Technologieunternehmens NordVPN, das für Telearbeit nötige VPN-Zugänge anbietet, machten die Angestellten während der Coronakrise zu Hause massiv Überstunden: In Frankreich saßen sie demnach im Schnitt zwei Stunden, in den USA sogar drei Stunden länger am Rechner - pro Tag.