Die Statistiken sind alarmierend, die Aussichten trist, die Betroffenheit groß. In kaum einem anderen Segment der Gesellschaft droht die aktuelle Krise nachhaltigere Folgen zu haben als unter Jugendlichen, die an der Knautschzone zum Arbeitsleben stehen. Sie hat die Trockenlegung des potenziellen Jobbrunnens vielschichtig, aber jedenfalls voll getroffen:
Für jene, die in berufsbildenden höheren Schulen Pflichtpraktika zu absolvieren hätten, hagelt es Absagen von Unternehmen, die selbst nicht wissen, wie ihre unmittelbare Zukunft aussieht.
Für jene, die eine Lehrstelle suchen, sind aktuelle Prognosen von bis zu 10.000 wegbrechenden betrieblichen Ausbildungsplätzen ein Depressionsbeschleuniger.
Für jene, die kurz vor der Lehrabschlussprüfung stehen, bedeutet deren Verschiebung in den Herbst finanzielle Einbußen bei der Entlohnung, weil sie statt als Fach- weiterhin als Hilfskräfte bezahlt werden.
Für jene, die gerade Matura machen, bleibt durch fehlende Aufnahmeprüfungen und Jobausschreibungen die Zukunft unplanbar.
Für jene, die sich ihre universitäre Ausbildung durch klassische Studentenjobs finanzieren – laut Hochschülerschaft 60 Prozent der 380.000 Studierenden in Österreich –, versiegen diese Einnahmequellen großflächig.
Für jene, … Die Liste ließe sich um diverse Branchenspezifika und individuelle Sonderfälle endlos verlängern. „Die Jugendlichen hängen wegen Corona in der Warteschleife“, fasst Beate Großegger (Institut für Jugendkulturforschung) die prekäre Situation zusammen.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hat erhoben, dass seit März bereits neun Prozent der 15- bis 24-Jährigen ihren Job verloren haben; die aktuelle Arbeitsmarktstatistik weist für den April einen Anstieg bei den arbeitslos gemeldeten Jugendlichen von fast 110 Prozent aus – das mit Abstand größte Plus aller Altersgruppen.
Bauchfleck am Arbeitsmarkt
Jugendliche sind durch die Corona-Pandemie fast doppelt so stark von Arbeitslosigkeit bedroht wie die heimische Gesamtbevölkerung, sagt Johann Bacher, Soziologe an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Zum einen, weil es keine freien Stellen gibt, zum anderen, weil Jugendliche häufig nur befristet oder geringfügig angestellt sind und damit schneller gekündigt werden, wird der Sprung auf den Arbeitsmarkt für viele damit zum Bauchfleck.
Das bleibt nicht ohne Spuren. Auch in der Psyche, warnt Manuela Paechter, Universitätsprofessorin am Institut für Psychologie an der Karl-Franzens-Universität Graz. „Gerade in diesen Übergangsentscheidungen sind Jugendliche sehr stark außenorientiert, brauchen das Feedback von Freunden, Lehrern, Unternehmern“, analysiert sie. Fällt dieses Messen und Orientieren an anderen als Reflexionsfläche – wie durch Homeschooling, Social Distancing oder fehlende Lehrstunden – weg, sorgt das für Unsicherheit. Diese diffusen Zukunftsängste werden verstärkt durch das Gefühl einer Machtlosigkeit gegenüber der Ursache der Krise. „Bei Klimaprotesten kann man selbst aktiv werden, bei Corona ist man wehrlos gegenüber den äußeren Umständen“, vergleicht Paechter.
"Die Schere geht auseinander"
Diese Hilflosigkeit wirkt wie ein sozialer Spaltkeil. „Die Schere zwischen jenen, die damit umgehen können und die meist elterliche Unterstützung haben und denen, die es nicht können, weil sie auch kein förderliches Lernumfeld haben, geht auseinander“, prognostiziert die Psychologin mit Verweis auf Studien in den USA. Tatsächlich zeigt sich: Wer als Jugendlicher arbeitslos beziehungsweise erwerbslos ist, hat meist dauerhafte Einkommensverluste. Viele holen das nie mehr auf. Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit, später erneut arbeitslos zu werden, steigt. Die Forschung nennt das „Scarring Effect“. Die Krise ist für die Jungen deshalb nicht nur kurzfristig spürbar, ihr Berufsleben ist langfristig davon geprägt, ist man beim Wiener Momentum Institut, einem Thinktank, der sich mit sozialem Fortschritt auseinandersetzt, überzeugt.
Ungeduldige Jugend
Bei der Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) steigt daher die Ungeduld. „Es braucht jetzt klare Antworten der Bundesregierung“, fordert ÖGJ-Chefin Susanne Hofer großzügige Hilfsmaßnahmen für Lehrlinge und ein 140-Millionen-Euro-Förderpaket für Betriebe, die Lehrlinge ausbilden: „Ansonsten fehlen in ein paar Jahren die Fachkräfte.“ Schon jetzt scheint es einen Mangel an Zuversicht in der „Generation Corona“ zu geben: In einer Umfrage unter 1000 Jugendlichen gaben 80 Prozent an, sich um Arbeitsplätze zu sorgen.
Klaus Höfler