Das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtet über Behördenversagen in der Causa Ischgl. Bereits vor zwei Wochen wurde eine detaillierte Warnung aus Island vom Nachmittag des 5. März bekannt, in der auch die Namen jener fünf Hotels genannt wurden, in denen die 14 infizierten Isländer genächtigt hatten.
Weitere Recherchen sollten nun klären, ob sich das Land Tirol und die für Ischgl zuständige Bezirkshauptmannschaft Landeck bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen („Contact Tracing“) der Isländer an die Vorgaben hielten. Laut einem Erlass des Gesundheitsministeriums vom 28. Februar, der an die Büros aller neun Landeshauptleute erging und „profil“ vorliegt, war die Vorgehensweise klar geregelt: Wer in einem geschlossenen Raum näher als zwei Meter mit einem Coronainfizierten zusammenkam, mit ihm ein Gespräch führte, ihm die Hand schüttelte oder ihn küsste, galt als „Kontaktperson mit hohem Infektionsrisiko“.
Im Erlass fordert das Gesundheitsministerium die Bezirkshauptmannschaften auf, solche engen Kontaktpersonen per Bescheid für 14 Tage in Heimquarantäne zu schicken. Und zwar unabhängig davon, ob die Personen Symptome zeigen oder nicht.
Wie ein Sprecher des Landes Tirol auf mehrmalige „profil“-Nachfrage erklärte, wurde in den betroffenen Hotels lediglich eine Mitarbeiterin mit grippeähnlichen Symptomen in Quarantäne geschickt und getestet: „Bei allen anderen MitarbeiterInnen dieser Hotels gab es keine Hinweise auf eine Coronaerkrankung.“ Laut Erlass hätten jedoch auch alle anderen engen Kontaktpersonen der infektiösen Isländer isoliert werden müssen – selbst wenn sie symptomfrei waren. Warum das nicht passiert ist, wurde vom Land Tirol nicht beantwortet.
Das Land blieb dennoch bei seiner Darstellung, wonach „der Erlass des Gesundheitsministeriums seitens der Tiroler Gesundheitsbehörden stets eingehalten wurde“. Ausnahmen bei der Isolierung von Kontaktpersonen wären nur nach ausdrücklicher Genehmigung durch das Gesundheitsministerium möglich gewesen. Das Ministerium auf „profil“-Anfrage: „Die BH Landeck oder das Land Tirol hat sich in diesem Zusammenhang nicht an das Ministerium gewandt.“
Land Tirol reagiert auf Bericht
Es entspricht nicht den Tatsachen, dass die Gesundheitsbehörden nicht nach den Vorgaben des Gesundheitsministeriums gehandelt hätten, erklärt das Land Tirol Samstagmittag in einer Aussendung. Der Erlass des Gesundheitsministeriums wurde seitens der Tiroler Gesundheitsbehörden stets eingehalten. In Ischgl haben die lokalen Gesundheitsbehörde darüber hinaus sogar noch strengere Kriterien angewandt. Bei jeglichen positiven Corona-Testungen, die in Ischgl und auch anderswo in Tirol durchgeführt wurden, wurden direkt im Anschluss alle engen Kontaktpersonen abgesondert. In Ischgl hat die lokale Gesundheitsbehörde darüber hinaus noch die Anordnung getroffen, ausnahmslos alle Personen mit grippeähnlichen Symptomen einem verpflichtenden Coronatest zu unterziehen, obwohl auch dies die internationalen Vorgaben und die Vorgaben des Gesundheitsministeriums nicht vorsahen. Nur durch diese Anordnung wurden dann am 7. März der Barkeeper des Kitzloch getestet. Das Testergebnis fiel bekanntlich positiv aus. Zudem wurden noch am gleichen Tag die MitarbeiterInnen des Barkeepers als enge Kontaktpersonen ermittelt. Diese wurden in der Folge ebenso abgestrichen und positiv getestet. Am 9. März lagen dann auch für diese MitarbeiterInnen positive Testungen durch die medizinischen Labore vor, weshalb das Kitzloch umgehend behördlich geschlossen wurde.
Bei den isländischen Gästen lagen positive Testungen zum Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Tirol definitiv nicht vor. Zudem hat sich von diesen Gästen auch kein einziger isländischer Urlauber in Ischgl mit grippeähnlichen Symptomen oder Coronasymptomen behandeln lassen bzw. beim ortsansässigen Arzt gemeldet. Erst im Nachhinein, mehrere Tage später, wurde Tirol informiert, dass IsländerInnen nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat Island positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Darüber hinaus lagen den Gesundheitsbehörden zu diesem Zeitpunkt schriftliche Mitteilungen von mehreren IsländerInnen vor, die darin festhielten, dass sie sich beim Rückflug von München nach Island bei einer ebenfalls im Flugzeug befindlichen Corona-positiven Person angesteckt haben. Internationale Gesundheitsinstitutionen haben zu dieser Zeit publiziert, dass Flugzeuge ein Hochrisikoort für mögliche Coronaansteckungen darstellen. Die Tiroler Gesundheitsbehörden sind allen Hinweisen aus Island nachgegangen und haben diese zum Anlass genommen, um den Gesundheitszustand von über 90 in Ischgl urlaubenden IsländerInnen von Mitte Februar bis Anfang März überprüfen zu lassen. Nochmals darf erwähnt werden, dass zu diesem Zeitpunkt keine Coronaerkrankung in Ischgl festgestellt werden konnte. Dennoch hat die Gesundheitsbehörde bei allen betroffenen Hotels den Gesundheitszustand aller MitarbeiterInnen erheben lassen.
Dabei gab es bei einer Reinigungskraft eines Hotels Hinweise auf grippeähnliche Symptome. Diese Mitarbeiterin wurde sofort isoliert und getestet. Ihr Ergebnis war negativ. Bei allen anderen MitarbeiterInnen dieser Hotels gab es keine Hinweise auf eine Coronaerkrankung.
Als am 5. März, späten Nachmittag die Namen der Hotels bekannt wurden, waren die isländischen Gäste bereits seit mindestens vier Tagen abgereist. Eine Befragung (der damals noch nicht einmal namentliche bekannten Isländer) und ein damit verbundenes Contact-Tracing zur Erhebung der Kontaktpersonen war daher nicht möglich.