Der Ton wird giftig. Festivalveranstalter aus ganz Österreich haben Anfang der Woche ein Schreiben an Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek geschickt, in dem dringend Zukunftsperspektiven und Unterstützung für den Kulturbetrieb gefordert werden – und dem die Fassungslosigkeit seiner 150 Unterzeichner aus allen Zeilen trieft: „Sie haben nun mit sechswöchiger Verspätung und nach verständlicher, medialer Empörung“, steht da, „Gespräche mit einigen tatsächlichen ExpertInnen aus der Kunst- und Kulturbranche gesucht. Diese dürften, glaubt man den darüber berichtenden Medien, kontroverse Erkenntnisse und vorerst keine konkreten Ergebnisse gebracht haben“.
Keine konkreten Ergebnisse? Wie lange noch? Seit Mitte März sind in Österreich sämtliche Kulturveranstaltungen verboten, gut 180.000 Beschäftigte im Kulturbetrieb warten seither auf Zeichen, Vorschläge, Direktiven, wie es weitergehen soll. Und erfahren: nichts. Während offenbar systemrelevantere Branchen wie Gastronomie, Tourismus, Sport mittlerweile halbwegs wissen, welche Auflagen sie nach dem Lockdown in Sachen Wiederaufnahme des Betriebs erfüllen müssen, haben die Regierungsverantwortlichen nach etlichen Verhandlungsrunden mit Betroffenen und einer desaströsen Pressekonferenz Mitte April kulturpolitisch vor allem Schweigen und Vertröstungen parat. Dank dieses Kommunikationsversagens ist die Stimmung gründlich gekippt. (Und vielleicht hätte man sich vorher überlegen sollen, ob man einem professionellen Kulturbetrieb mit absurden Vorschlägen wie Liebesszenenverbot und 20-m2-Abstandsregel kommt.)
Ulrike Lunacek, erst zu Jahresbeginn aus der Europa- in die Kulturpolitik gewechselt, hat den Bonus, den sie sich mit ihrer raschen Reaktion in Sachen Corona-Soforthilfe erarbeitete, schon wieder verspielt: Vielen gilt die unerfahrene Staatssekretärin mittlerweile als mit den Kulturagenden völlig überfordert. In den Manifesten, Petitionen und Forderungskatalogen etablierter und neu gegründeter Interessensvertretungen von den Großveranstaltern bis zu den Kabarettisten sieht man hinter dem Hohn Verzweiflung flackern.
Und immer mehr Künstler und Veranstalter machen ihrer kulturpolitischen Verdrossenheit in Interviews und auf Social Media Luft: „Schluss mit dem Lavieren – wir brauchen endlich Entscheidungen!“, fordert Schlagwerker Martin Grubinger auf Facebook. Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder wirft Vizekanzler Werner Kogler in einem APA-Gespräch vor, er ducke sich als eigentlich zuständiger Kulturminister „seit Amtsantritt im Jänner weg“. Und der Kabarettist Lukas Resetarits schaffte es mit einem auf Social Media geteilten Wutvideo, in dem er dazu aufrief, „die ganze grüne Kulturpartie heimzugeigen“, jüngst gar zu Armin Wolf in die ZiB 2.
Aber noch ließe sich das wohlfeile Grünen- und Lunacek-Bashing eindämmen: Soeben hat die Kunst- und Kulturstaatssekretärin die Vorgaben für die Wiedereröffnung der Museen, Bibliotheken, Büchereien und Archive ab kommendem Freitag öffentlich gemacht: Pro zehn Quadratmeter Nutzfläche ist ein Besucher, eine Besucherin zugelassen. Alle Gäste müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen und den üblichen einen Meter Abstand einhalten (siehe Info oben). Und auch in Sachen Wiederaufnahme des Bühnen-, Konzert-, Kabarett- und Kinogeschehens soll es am Freitag Klarheit geben. Lunacek will einen Stufenplan für die nächsten Monate vorstellen und – in Kooperation mit Gesundheitsministerium und Branche – „möglichst bald konkrete Lockerungen anstoßen“.
Ute Baumhackl