In der Regierung war am Dienstag nicht nur Corona-, sondern auch Kommunikations-Krisenmanagement angesagt. Die App zur Verfolgung von Corona-Infektionen bleibe auf jeden Fall freiwillig, betonten Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Damit traten sie den jüngsten Äußerungen von Kanzlerberaterin Antonella Mei-Pochtler entgegen. Die hatte eine obligatorische Anwendung etwa für Reisende in Aussicht gestellt und damit die Wogen hochgehen lassen. Mei-Pochtler selbst stand für Nachfragen nicht mehr zur Verfügung, mit ihr seien vorerst keine Interviews möglich, hieß es im Bundeskanzleramt.
Die Aufregung war umso größer, als auch die Wortwahl der Beraterin durchaus Anlass für Zweifel bot. Im Gespräch mit der Financial Times hatte sie wenig umsichtig gemeint, die europäischen Gesellschaften müssten sich generell auf Werkzeuge einstellen, die „am Rand des demokratischen Modells“ angesiedelt seien.
SPÖ will Unterausschuss
Die Opposition weidete den Fehltritt sofort aus: Die SPÖ verlangt jetzt einen eigenen Unterausschuss, der ein „transparentes parlamentarisches Monitoring“ der Corona-Maßnahmen sichern soll. Denn es gehe nicht an, dass „Krisenbewältigung von nicht demokratisch legitimierten Kanzlerberatern im Hinterzimmer‘“ erfolge, so SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Auch FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ist voll für die Verteidigung der Demokratie entflammt. Er verlangt den sofortigen Rücktritt Mei-Pochtlers und wird eine Anfrage zu den „ungeheuerlichen Aussagen“ stellen.
Was ist mit Menschen ohne Handy?
Anschober plädiert weiterhin für eine „gut funktionierende freiwillige Variante“ der Tracking-App. Das Rote Kreuz arbeite noch an Verbesserungen. Auch Nehammer weiß nichts von Zwang: „Freiwilligkeit ist das Gebot.“ Wie Menschen ohne Handys erreicht werden könnten, etwa über den ursprünglich erwogenen Schlüsselhänger, sagte der Innenminister nicht. Es gebe aber heutzutage allerlei technische Möglichkeiten.
Ein offener Punkt auf der Wunschliste ist auch noch die Frage der Verknüpfung mit Apps aus den Nachbarländern. Darüber verhandelten am Dienstag in einer Videokonferenz die EU-Telekommunikationsminister, darunter Elisabeth Köstinger (ÖVP).
Privatsphäre
Der gemeinsame Ansatz der EU-Länder sieht vor, dass die Anwendungen konform mit den europäischen Datenschutzregeln sein sollen. Konkret: Sie werden anonym und freiwillig genutzt und die Daten werden gelöscht, sobald der Bedarf entfällt. Technisch ist das möglich: Für Tracking-Apps kann ein von der ETH Zürich entwickelter Standard („DP3T“) benützt werden. Dabei werden die gesammelten Daten nur auf dem jeweiligen Handy gespeichert und möglichst anonymisiert. Auch Google und Apple wollen DP3T in ihren angekündigten Betriebssystemänderungen berücksichtigen.
Derzeit sind die EU-Staaten hinsichtlich der Verwendung von Corona-Apps allerdings auf unterschiedlichem Stand. Manche EU-Länder nutzen oder arbeiten bereits an Software, andere treten dafür ein, dass eine Anwendung für alle EU-Länder zur Verfügung stehen soll, hieß es vergangene Woche seitens der kroatischen Ratspräsidentschaft.
Frankreich wiederum will eine eigene Corona-Warn-App ab Anfang Juni zum Einsatz bringen. Diese werde aber nicht auf die Schnittstellen der IT-Riesen Google oder Apple zurückgreifen, sagte der Staatssekretär für Digitales, Cedric O, Es gebe bei den Lösungen der US-Konzerne eine „Reihe von Problemen hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre“, so die Begründung.