Großbritannien und vier Ländern der Europäischen Union steht nach Einschätzung der zuständigen EU-Behörde in der Coronavirus-Pandemie das Schlimmste noch bevor. Der Höhepunkt der Ausbreitung des Krankheitserregers sei noch nicht überschritten, sagte Andrea Ammon, Chefin des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) am Montag.
Sie widersprach damit dem britischen Premierminister Boris Johnson. Dieser hatte am Donnerstag erklärt, sein Land habe den Höhepunkt überwunden. In Großbritannien, Polen, Rumänien und Schweden steige die Zahl der Neuinfektionen seit zwei Wochen mit unveränderter Geschwindigkeit, sagte Ammon. In Bulgarien nehme die Pandemie sogar an Fahrt auf.
Erste Welle scheint vorüber
In allen anderen europäischen Ländern würden dagegen weniger Neuerkrankungen gemeldet. "Es sieht so aus, als ob am Samstag der Höhepunkt der ersten Welle in Europa überschritten wurde", sagte Ammon. Das ECDC ist für alle 27 EU-Mitgliedsstaaten plus Großbritannien, Norwegen, Liechtenstein und Island zuständig.
In Großbritannien stieg die Zahl der Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, am Montag auf fast 190.000. Fast 28.500 Menschen starben. In Europas ist nur Italien noch stärker von der Pandemie betroffen.
Auch Daten der Beobachtungsstelle EuroMOMO lassen darauf schließen, dass Großbritannien besonders schwer betroffen ist: Seit Beginn der Pandemie sind in dem bevölkerungsreichsten Landesteil England mehr Menschen gestorben als im fünfjährigen Durchschnitt. Am 26. April war die Übersterblichkeit so hoch wie in keinem anderen europäischen Land. Zudem ist England das einzige untersuchte Land, in dem es nach vorläufigen Daten einen "substanziellen Anstieg" der Sterblichkeit bei den 15 bis 64-Jährigen gab. Nach Einschätzung von Epidemiologen ist die Übersterblichkeit ein guter Indikator dafür, das Ausmaß einer Epidemie zu messen.