Die deutschen Wirtschaftsverbände verlangen vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel zur Coronakrise in Deutschland zügige Entscheidungen für die Wiederbelebung von Industrie- und Handel. Die Autoindustrie mahnte am Wochenende einen schnellen Beschluss für umfassende Kaufprämien an.
"Es muss zeitnah politisch entschieden werden, damit es eine Klarheit im Markt gibt", sagte die Chefin des Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, der "Welt am Sonntag". Angesichts der Debatte um Prämien bestellte derzeit niemand. Kanzlerin Angela Merkel hat aber klar gemacht, dass beim Treffen mit der Branche am Dienstag keine Beschlüsse fallen werden. Der Industrieverband BDI rechnete vor, die Corona-Auflagen kosteten die Wirtschaft jede Woche einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. Die Firmen benötigten beim Bund-Länder-Treffen am Mittwoch einen klaren Planungshorizont. Befeuert wird die Debatte durch weiter sinkende, tägliche Infektionszahlen.
Am Montag wollen sich die Ministerpräsidenten der Autoländer Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg über eine Kaufprämie austauschen. Am Dienstag ist der Gipfel der Industrie mit Merkel sowie Fachministern geplant. Die Schlüsselbranche dringt auf einen schnellen Kaufanreiz. "Mir wäre dafür Mai oder Anfang Juni lieber als September oder Oktober", sagte VDA-Präsidentin Müller. Gefördert sollen ihrer Vorstellungen zufolge nicht nur umweltfreundliche E-Autos sondern auch Benziner und Diesel.
Firmen geht die Luft aus
BDI-Präsident Dieter Kempf warnte in den Zeitungen der "Funke-Mediengruppe", den Firmen gehe allmählich die Luft aus: "Ein derartiger Einschnitt lässt sich nicht über Monate aushalten und erzeugt massive Wohlstandsverluste und dauerhaften Schaden in Wirtschaft und Gesellschaft." Die Politik müsse den Wiedereinstieg so schnell und so verlässlich wie möglich sicherstellen und nächste Woche einen Fahrplan entwickeln.
Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands, verlangte in der "Bild am Sonntag": "Am 6. Mai müssen ein klarer Fahrplan für meine Branche und ein Rettungsfonds beschlossen werden." Das Gewerbe ist von den Reise- und Veranstaltungsverboten besonders betroffen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) machte vorsichtige Hoffnung. "Wir werden jetzt Schritt für Schritt eine klare Perspektive für die Wirtschaft schaffen. Bei weiter niedrigen Infektionszahlen kann es verantwortbare Lockerungen auch in der Gastronomie geben," sagte er der gleichen Zeitung.
Vor allem für die Sommerferienzeit ist dies von Bedeutung, da Auslandsreisen derzeit kaum möglich sind. Außenminister Heiko Maas bekräftigte seine Warnung vor einer voreiligen Wiederaufnahme des Reiseverkehrs. "Wenn Leute nicht nur wieder ins Ausland fliegen können, sondern auch mit hinreichender Sicherheit zurückkommen, dann können wir die Reisewarnung schrittweise zurückfahren", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der "Funke Mediengruppe".
Urlaubsländer hart getroffen
Die von der Pandemie besonders hart getroffenen Urlaubsländer Italien, Spanien und Frankreich haben noch keine Entscheidungen zur Wiederaufnahme des internationalen Tourismus getroffen, obwohl auch hier die Infektions- und Todeszahlen zurückgehen.
In Deutschland meldete das RKI am Samstag und Sonntag erstmals seit Anfang März Infektionszahlen von unter 1.000. Diese Zahl hatte das RKI als Schwelle für weitere, mögliche Lockerungen der Auflagen genannt. Die Zahlen sind allerdings am Wochenende meist unvollständig und ergeben erst im Lauf der kommenden Woche ein umfassenderes Bild.
Klar ist, solange es kein wirksames Medikament oder Impfstoff gibt, wird eine Rückkehr zum normalen Leben nicht möglich sein. Bei einer internationalen Geberkonferenz wollen am Montag Regierungen, Pharmaunternehmen und private Stiftungen neue Gelder für die Impfstoff-Entwicklung eintreiben. Schätzungen zufolge fehlen noch einige Milliarden Euro. Kanzlerin Merkel kündigte in ihrem wöchentlichen Podcast an, daran werde sich Deutschland "mit einem deutlichen finanziellen Beitrag beteiligen."