Überfüllte Krankenhäuser, Kühlcontainer voller Leichen, Massengräber auf den Friedhöfen - die Corona-Pandemie hat Manaus im brasilianischen Bundesstaat Amazonas ins Chaos gestürzt.
"Man kommt sich vor wie in einem Horrorfilm", sagt Arthur Virgilio Neto, Bürgermeister der Metropole im Norden Brasiliens. Besonders anfällig für das Virus sind zudem die Ureinwohner in dem riesigen Gebiet.
Die 50 Intensivbetten in Manaus - eine verschwindend geringe Zahl für eine Stadt von 1,7 Millionen Einwohnern - sind alle belegt. Dabei steht Brasilien der Höhepunkt der Pandemie erst noch bevor. Er wird für Mai oder sogar erst Juni erwartet. "Man kann nicht mehr von einem Notstand sprechen, das ist ein absoluter Katastrophenzustand", sagt Stadtchef Neto.
Der Bundesstaat Amazonas umfasst ein gigantisches Gebiet von 1,5 Millionen Quadratkilometern und steht offiziell auf Rang fünf der Corona-Statistik der brasilianischen Bundesstaaten. Für ganz Brasilien wurden am Donnerstag mehr als 3.300 Todesfälle gemeldet, darunter ein großer Anteil im Bundesstaat Sao Paulo. Doch die Dunkelziffern dürften sehr hoch sein.
Sterblichkeitsrate explodiert
In normalen Zeiten sterben täglich 20 bis 30 Menschen in Manaus. Doch infolge der Pandemie ist die Sterblichkeitsrate regelrecht explodiert, heißt es aus dem Rathaus. Mehr als 100 Menschen sterben jeden Tag - so viele wie in keiner anderen der 27 Bundeshauptstädte Brasiliens. "Viele Menschen sterben zu Hause, einige konnten keine medizinische Hilfe erhalten", bedauert der Bürgermeister. Sterben die Infizierten außerhalb der Krankenhäuser, haben ihre Angehörigen große Schwierigkeiten, ihre Leichen abholen zu lassen. "Bisher ist niemand gekommen, um mir zu sagen, was ich tun soll. Und ich weiß nicht, wie ich meine Großmutter beerdigen soll", erzählt die Einwohnerin Rita Alencar.
Massengräber
Auf dem Friedhof Parque Taruma wurden Massengräber angelegt, um der Zahl der Corona-Opfer Herr zu werden. Auf im Internet geteilten Videos ist zu sehen, wie sich die Leichenwägen vor den Friedhöfen stauen. "Mehrere Friedhofsmitarbeiter sind krank geworden, einige sind sogar am Coronavirus gestorben", erzählt Neto. Er hat nun die Bundesregierung um zusätzliche finanzielle Mittel gebeten. Die Not ist so groß, dass er sogar erwägt, andere Länder um Hilfe zu bitten. Ein provisorisches Krankenhaus wurde vergangene Woche eingeweiht, Ärzte aus dem ganzen Land wurden zur Verstärkung nach Manaus gerufen.
Lage "äußerst besorgniserregend"
Bernardo Albuquerque, Spezialist für Infektionskrankheiten an der Universität von Amazonas (UFAM), stuft die Lage als "äußerst besorgniserregend" ein. Das Gesundheitssystem sei nicht in der Lage, die wachsende Zahl schwer erkrankter Patienten zu bewältigen, sagt er. Neben Intensivbetten fehlt es in den Krankenhäusern auch an Schutzausrüstung, Medikamenten und Röntgengeräten. Zudem verfügt der Bundesstaat über ein stark zentralisiertes Gesundheitssystem: Sämtliche Intensivstationen befinden sich in Manaus. Auch 80 Prozent der Ärzte, die Corona-Patienten überhaupt behandeln können, praktizieren in der Hauptstadt.
Die Erkrankten sind also gezwungen, sich dort behandeln zu lassen. Manche sind dafür tagelang mit dem Boot unterwegs. "Die meisten Dörfer sind nur über den Wasserweg an Manaus angebunden. Es gibt nur sehr wenige Flugverbindungen", erklärt Albuquerque. "Wenn der Patient es schafft, lebend hier anzukommen, befindet er sich oft in einem beklagenswerten Zustand. Und es gibt keine Garantie, dass er geheilt werden kann. Die Lage ist dramatisch", ergänzt der Bürgermeister.
Noch besorgniserregender ist die Lage für die Ureinwohner, die besonders anfällig für Viren von außerhalb sind. Drei von ihnen starben bereits an der Lungenkrankheit Covid-19. Für die indigene Bevölkerung soll nun eigens ein provisorisches Krankenhaus in Manaus mit Bundesmitteln gebaut werden.