Das Schadenersatzrecht kann in Zeiten von Corona präventive Wirkung haben, sagt Rechtswissenschafter Ernst Karner von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Denn allein das Wissen, dass man für ein schuldhaftes Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann, könne einen Schaden verhindern. Ein Beispiel: illegale Coronapartys.
Wenn jemand gegen das Covid-19-Maßnahmengesetz verstößt, kann ihm oder ihr später eine Schadenersatzpflicht dräuen, so Karner am Donnerstag zur APA. Das könnte auch der Fall sein, wenn man anderen die eigene Erkrankung verschweigt und sie dadurch mit dem Coronavirus infiziert. Auch, wer sich nicht an die Maskenpflicht oder die Abstandsregeln hält, könnte schadenersatzpflichtig werden - theoretisch. Der Nachweis, dass dadurch eine Infektion entstanden ist, werde in der Praxis selten gelingen.
Flugreisen, Mieter, Hotels
Ausgefallene Flugreisen hingegen sind laut Karner kein Fall für Schadenersatz, ebenso wenig die Frage, ob Mieter ihre Miete weiterzahlen müssen oder nicht.
Schadenersatz ist auch gegenüber Behörden möglich - wenn diese schuldhaft notwendige Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus nicht vollziehen. "Kritisch kann es hier vor allem werden, wenn die Gefahr der gegenwärtigen Pandemie nicht hinreichend erkannt oder aus unterschiedlichen Gründen zu zögerlich darauf reagiert wurde", so Karner, Direktor des Instituts für Europäisches Schadenersatzrecht der ÖAW und der Karl-Franzens-Universität Graz.
In diesem Zusammenhang gebe es bereits Sammelklagen, erinnerte Karner, ohne den Fall Ischgl, wo sich die Behörden mit den Hotelschließungen Zeit gelassen haben, explizit zu erwähnen.
Nicht nur die Behörden, sondern auch der Staat ist seinen Bürgern gegenüber zum Schutz verpflichtet. "Gerade in Katastrophenfällen sind Staaten wegen ihrer Untätigkeit auch tatsächlich schon verurteilt worden", so der Rechtswissenschafter. Momentan herrsche große Unsicherheit, weil es eine Pandemie wie die gegenwärtige noch nie gegeben habe. Die Regierung habe einen großen Ermessensspielraum, den sie aber verantwortungsvoll wahrnehme. Er habe den Eindruck, dass es gelungen sein, die Ausbreitung des Virus "sehr schnell und gut" zu begrenzen. Das Justizministerium habe sich einer "Menge an Problemen" stellen müssen, wegen des Zeitdrucks sei klar, dass "manches nicht so perfekt ist". Insgesamt hätten die Juristen des Staates "Großartiges geleistet".
Die Kritik, dass das Epidemiegesetz durch das Covid-19-Gesetz dahingehend geändert wurde, dass Entschädigungszahlungen infolge einer behördlich verordneten Schließung nicht mehr vorgesehen sind, findet Karner nicht gerechtfertigt. Denn dass der Einzelne die Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit dulden müsse und dafür eine Entschädigung bekomme, funktioniere nur bei lokalen Seuchenherden, die das Epidemiegesetz meint. Jetzt, wo es in ganz Österreich Beschränkungen gibt, funktioniere eine solche "Überwälzung" individueller Schäden auf die Allgemeinheit nicht mehr. Es brauche eine Lösung, die alle unterstütze, nicht nur ein paar einzelne, so Karner. Fonds seien da gut geeignet, um mit den vorhandenen - begrenzten - Mitteln Härten abzufedern; am stärksten sollten die Bedürftigsten unterstützt werden.
Zu Gastronomie- und Hotelbetrieben, die die Änderung des Epidemiegesetzes moniert haben und sich um Entschädigungszahlungen fallen sehen, sagte Karner: Aufgrund der Virusausbreitung hätten sie das Geld auch ohne behördlich angeordnete Schließungen nicht mehr verdienen können, denn sie hätten aufgrund ihrer Schutz- und Sorgfaltspflichten ab Erkennbarkeit der Gefahr ohnedies nicht einfach weiter Gäste empfangen dürfen.