Die auf den Notbetrieb beschränkten Gerichte haben großen Rückstau abzubauen: Rund 30.000 Verhandlungen mussten wegen der Coronakrise bisher schon vertagt werden. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) will den Betrieb langsam wieder hochfahren, aber gleichzeitig "die Gerichte Corona-frei halten". Deshalb werden Masken und Plexiglas eingesetzt sowie die Möglichkeit der Video-Verhandlung erweitert.
Insgesamt wurden an den Gerichten seit Mitte März 41.668 Verhandlungen abberaumt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres wurden allerdings auch 9.600 Termine abgesagt - und somit kam man auf rund 30.000 wegen der Covid-19-Gefahr verschobene Verhandlungen, erläuterte Zadic im Gespräch mit der APA.
Um den Rückstau nicht noch weiter zu vergrößern, wird mit einer Novelle zum 1. Corona-Maßnahmengesetz die Möglichkeit der Einvernahme per Videotechnologie auch auf die Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher etc. im Zivilverfahren erweitert. An den Zivilgerichten darf aktuell nur in dringlichsten Fällen - wenn Leben, Sicherheit oder Freiheit in Gefahr sind - verhandelt werden. Da in Zivilprozessen zwingend eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, kam es hier zu großem Rückstau.
Die Beschränkung auf dringlichste Fälle wird aufgehoben. Aber richtigen "Normalbetrieb" wird es, wie Zadic im Gespräch mit der APA feststellte, noch länger nicht geben können. Und nicht überall besteht die Möglichkeit, durch große Säle den nötigen Abstand zu gewährleisten. Deshalb wird erlaubt, dass (befristet bis 31. Dezember) die gesamte mündliche Verhandlung per Videokonferenz durchgeführt wird.
Voraussetzung ist, dass die Verfahrensparteien zustimmen - und die nötige Ausstattung haben. "Eine Verpflichtung zu deren Anschaffung besteht nicht", wird in den Gesetzes-Erläuterungen klargestellt. Und darauf hingewiesen, dass man die Zahl der Personen im Verhandlungsraum auch durch Zuschaltungen aus anderen Räumen im selben Gerichtsgebäude minimieren kann.
Beibehalten wird der Aufruf der Rechtssache vor dem Verhandlungssaal - um den Grundsatz der Öffentlichkeit von Verfahren zu wahren. Auch Zuhörer sind zugelassen, aber nur so viele, dass die Schutzmaßnahmen eingehalten werden können. Das Gesetz wird am Mittwoch im Nationalrat eingebracht, nächste Woche beschlossen und tritt nach dem Bundesrats-Beschluss am 7. Mai in Kraft.
Den weitgehend bereits erlaubten Einsatz von Videotechnologie im Strafverfahren wird Zadic in einer Verordnung konkretisieren. Beschuldigte, die in Untersuchungshaft sitzen, können per Videokonferenz einvernommen werden. Dies auch in Geschworenenverfahren - wobei einerseits die Geschworenen, durch Plexiglasscheiben getrennt, alle in einem Saal sitzen müssen, und andererseits sicherzustellen ist, dass Richter, Staatsanwälte und Verteidiger alle Beteiligten sehen können. Ist eine Video-Verhandlung nicht möglich, obliegt dem Richter die Entscheidung, ob vertagt oder (unter Wahrung der Schutzvorschriften) "normal" verhandelt wird.
Wie von den Rechtsanwälten angeregt, wird es auch bei Video-Einvernahmen die Möglichkeit geben, dass sich ein Beschuldigter unbeobachtet mit dem Verteidiger unterhält - indem er eine Pause beantragt und mit dem Anwalt telefoniert. Denn bei allen neuen Möglichkeiten, die zur Corona-Vermeidung genutzt werden, "ist es wichtig, dass wir grundrechtskonform agieren", betonte Zadic.
Mit der Gesetzesänderung wird überdies die angesichts der Coronakrise vereinfachte Möglichkeit, zu einem Unterhaltsvorschuss zu kommen, verlängert. Bis Ende Juni gibt es einen solchen nun auch ohne den üblicherweise nötigen (und die Sache in die Länge ziehenden) Exekutionsantrag des Kindes.
Und auch im Vereinsrecht wird eine Frist erstreckt: Große Vereine können ihre Mitgliederversammlungen bis Ende 2021 verschieben. Solche sind üblicherweise alle fünf Jahre anzusetzen. Aber "es ist derzeit nicht abzusehen, wann eine Versammlung mit über 50 einzuladenden Teilnehmern" in gewohnter Form durchgeführt werden kann.