90.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zählen zu den definierten Risikogruppen für eine Covid-19-Erkrankung. Das sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstag in einer Pressekonferenz mit Sozialversicherung, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Ärztekammer. Das letzte Wort, wer zur Risikogruppe zählt und wer nicht, habe weiterhin der Arzt.
Die Definition von Risikogruppen sei auch international in dieser Form ein "absolutes Pilotprojekt", betonte der Gesundheitsminister. Risikopatienten würden ein Schreiben der Sozialversicherungsträger erhalten, mit dem sie sich an ihren Arzt wenden können. Auf Grundlage einer Checklist erarbeitet dieser ein gemeinsames Attest zur Vorlage an den Arbeitgeber, um einen "gemeinsamen Weg" zu suchen, wie Sicherheit geschaffen werden kann.
Drei Optionen bieten sich für Risikopatienten: So können am gewohnten Arbeitsplatz Schutzmaßnahmen vor einer Ansteckung getroffen werden, also etwa eigene Zimmer. Ist dies nicht möglich, soll Home-Office geprüft werden. Geht auch das nicht, bleibt die Möglichkeit einer Freistellung. Wie viele Arbeitnehmer was davon in Anspruch nehmen könnten, ist unklar. Anschober betonte, dass die Maßnahmen für die Arbeitnehmer freiwillig seien.
Daten bleiben bei der Sozialversicherung
Der Gesundheitsminister rief potenzielle Risikopatienten auf, nicht vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle - geändert werden sollen Bestimmungen im ASVG und B-KUVG - zum Arzt zu gehen. Peter Lehner, Chef des Dachverbands der Sozialversicherungsträger, betonte, dass die Daten zur Medikation, die für die Definition herangezogen werden, nicht weitergegeben würden: "Wir garantieren, die Daten bleiben bei der Sozialversicherung."
Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres erläuterte, dass nicht jede Person mit einer bestimmten Erkrankung zwangsläufig zu einer Risikogruppe zähle. So seien etwa Menschen mit Diabetes oder Bluthochdruck nicht berücksichtigt, sollten diese "gut eingestellt sein". Ganz anders sei dies aber bei fortgeschrittenen Erkrankungen, wenn es etwa schon Komplikationen gebe. Niemand werde aber gezwungen, betonte auch Szekeres.
"Sehr froh" über die gemeinsame Lösung zeigte sich auch Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl. Wichtig sei nun, dass es zu keinen Kündigungen komme. Der Generalsekretär der Wirtschaftskammer (WKÖ), Karlheinz Kopf (ÖVP), versicherte seinerseits, dass auch den Arbeitgebern die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besonderes Anliegen sei. Anfang Mai sei mit der weiteren schrittweisen Öffnung der Wirtschaft zudem ein guter Zeitpunkt für die Regelung.
Keine gesetzliche Lösung hat man für die Angehörigen für Risikopatienten gefunden. Anschober betonte jedoch, dass diese Verhaltensempfehlungen erhalten werden, etwa wie man den Wohnungsbereich abgrenzen kann. Zudem sei man weiterhin etwa mit der Arbeiterkammer im Gespräch, was besondere Fälle, etwa mit schwieriger Wohnsituation, betrifft.
Patienten aus kritischer Infrastruktur einbezogen
Von den Ausnahmeregeln für Risikogruppen in der Coronakrise werden auch in der kritischen Infrastruktur tätige Personen profitieren. Das geht aus Angaben auf der Homepage des Sozialministeriums hervor. Zielgruppen sind etwa COPD-Patienten in fortgeschrittener Phase, Herzinsuffizienz-Patienten, sowie solche, die sich in den vergangenen sechs Monaten in einer Krebs-Therapie befunden haben.
Aufgelistet sind weiteres Patienten mit schweren chronischen Nierenerkrankungen, beispielsweise nach Transplantationen oder mit Dialyse-Notwendigkeit. Ferner als Beispiele angegeben sind Patienten mit zystischer Fibrose. Genauere Definitionen wird man erst erhalten, wenn voraussichtlich Anfang Mai das entsprechende Gesetz in Kraft tritt.
Die meisten der Betroffenen können über entsprechende Medikamente, die eingenommen werden müssen, identifiziert werden. Diese Personen erhalten daher einen Brief von der Sozialversicherung, der auf die gesetzliche Möglichkeit hinweist. Die Briefe werden voraussichtlich in der ersten Maiwoche bei den Betroffenen ankommen. Mit dieser Information wenden sie sich an ihren Arzt, mit dem eine Risiko-Abschätzung vorgenommen wird. Sieht der Mediziner die Person in der Risikogruppe, erhält diese ein Attest. Dann muss mit dem Dienstgeber geschaut werden, ob die Möglichkeit zu Home-Office oder besonderen Schutzmaßnahmen besteht. Ist das nicht der Fall, kann die Person entschuldigt daheim bleiben.
Ein kleinerer Teil der Betroffenen wird sich auch ohne Brief ab Anfang Mai aktiv bei Ärzten melden können. Als Beispiele angeführt sind hier Patienten mit Krebstherapie, die keine verschriebenen Medikamente einnehmen, da sie ihre Behandlung im Krankenhaus erhalten, oder Dialyse-Patienten.