Das System der 24-Stunden-Betreuung steht vor dem Zusammenbruch. Üblicherweise wechseln sich die Pflegerinnen aus Rumänien, der Slowakei, Ungarn oder Kroatien im Zwei- oder Dreiwochen-Rhythmus ab. Jetzt sind viele Pflegerinnen als Folge der Corona-Krise seit bis zu sechs Wochen im Dauereinsatz, Ihre Ablöse wartet ohne Job und Einkommen im Herkunftsland darauf, endlich wieder einreisen zu dürfen nach Österreich.
Rund 30.000 Familien in Österreich beanspruchen eine 24-Stunden-Betreuung. Nur diese Dienstleistung bewahrt sie davor, ins Heim gehen zu müssen. 60.000 Pflegerinnen aus dem Ausland sind in Österreich im Einsatz, die meisten aus den vier oben genannten Herkunftsländern.
Die bisherigen Versuche, das System aufrecht zu erhalten, sind gescheitert. Einzelne Bundesländer sahen ihr Heil in Flügen, doch sie scheiterten an der geringen Zahl der auf diese Weise möglichen Transporte, vor allem aber an den Quarantänebestimmungen.
- Ausländische 24-Stunden-Betreuerinnen müssen bei der Einreise nach Österreich vor Antritt ihres Turnus ein ärztliches Attest über einen negativen Corona-Test vorweisen.
- Der Test darf nicht älter als vier Tage sein.
- Ohne Attest darf man zwar auch einreisen, in diesem Fall muss sich die Pflegekraft jedoch in eine 14 Tage dauernde Quarantäne begeben, wie das Gesundheitsministerium mitteilte.
- Absitzen muss man diese Zeit außerhalb der Räumlichkeiten der zu betreuenden Person.
- Wenn währenddessen auf freiwilliger Basis ein Test durchgeführt wird, der negativ ausfällt, kann diese Quarantäne unterbrochen bzw. verlassen werden.
Das ist aber nicht alles, denn auch bei der Rückreise ins Heimatland gibt es unüberwindbare Hürden: Wenn Pflegerinnen etwa in die Slowakei einreisen wollen, so müssen sie zunächst fünf Tage in eine staatliche Quarantäneeinrichtung. Danach werden sie getestet. Und danach fällt die Entscheidung, ob sie krank sind oder noch einmal in eine 14-tätige Heimquarantäne wechseln müssten. Zu diesem Zeitpunkt müssten sie allerdings schon wieder zurück nach Österreich!
Eine Ausnahme gibt es ganz aktuell für Pendler aus Österreichs Nachbarstaaten: Pflegerinnen aus Ungarn, der Slowakei und Slowenien dürfen seit Ende der Woche ungehindert in beide Richtungen reisen. Eine Garantie dafür, dass sie virusfrei sind, haben ihre KlientInnen unter diesen Bedingungen natürlich nicht.
Demnach sind diese Personen aber weiterhin verpflichtet, sich auf Anordnung der Gesundheitsbehörden einer medizinischen Überprüfung im Hinblick auf das Vorliegen eines Krankheitsverdachts an COVID-19 zu unterziehen. Diese Überprüfung besteht in der Erhebung der Reisebewegungen und allfälliger Kontakte mit einem COVID-19 Erkrankten sowie der Messung der Körpertemperatur.
Korridor-Züge
Seit Tagen arbeitet die Wirtschaftskammer an einer Lösung mit Korridor-Zügen. Auf diese Weise könnte man zum einen Pflegerinnen, zum anderen Erntehelfer hin und zurück transportieren. Der Schlüssel dazu sind aussagekräftige Tests, die sowohl in Österreich als auch im Herkunftsland zur Verfügung stehen müssten. An der Verfügbarkeit der Tests scheiterte die Lösung bisher.
Der Klaus Katzianka, Betreiber einer von 900 Vermittlungsagenturen in Österreich und selbst Betroffener, befürchtet das Schlimmste: "Das System wird kippen, weil es zu lange dauert", sagt er. Manche Pflegerinnen geben auf, weil sie die Belastung nach den vielen Wochen nicht mehr aushalten bzw. die Trennung von ihrer Familien über einen so langen Zeitraum hinweg nicht verkraften. Andere sind seit Wochen zu Hause und sitzen auf dem Trockenen, ohne Job und ohne Einkommen.
Der Weg zum ersten Teil des Härtefallfonds blieb ihnen wegen bürokratischer Hürden zum Teil versperrt. Zwar können Steuernummer und inländisches Bankkonto online beantragt werden, aus dem Ausland und mit mangelnden Sprachkenntnissen ist das aber nicht unkompliziert. Der Fachverband in der Wirtschaftskammer mit dem Steirer Andreas Herz an der Spitze tut sein Möglichstes, um die Pflegerinnen zu unterstützen, die Informationsseiten für Teil 2 des Härtefallfonds sollen auch in anderen Sprachen zur Verfügung stehen. Und man arbeitet mit Hochdruck an der Korridorzug-Lösung. Herz: "Wir brauchen ein tragfähiges System, spätestens ab Ende April!"
Keine Zahlungen aus Härtefonds?
Nachdem nicht zuletzt die Kleine Zeitung seit Wochen darauf aufmerksam macht, dass die Notwendigkeit von Steuernummer und inländischem Bankkonto eine Hürde für die Pflegerinnen im Ausland darstellt, reagierte man im Wirtschaftsministerium zunächst gar nicht. In Phase 2 des Härtefallfonds folgt offenbar eine abermalige Verschärfung: Nun gibt es laut Richtlinien (4.1.m) Zahlungen nur dann, wenn man in den vergangenen drei Jahren auch Einkommensteuer bezahlt hat. Die meisten haben das nicht, da ihr Einkommen unter 11.000 Euro pro Jahr liegt.
Auch die Volksanwaltschaft ist bereits mit der Situation der Pflegerinnen und ihrer KlientInnen intensiv befasst. Man müsse drauf schauen, dass die Pflegerinnen finanzielle Überbrückungsleistungungen auch in Anspruch nehmen könnten, erklärte Volksanwalt Bernhard Achitz in der ORF-Sendung "Bürgeranwalt".
Grundsätzlich seien Korridorzüge und Tests eine Möglichkeit, dem Engpass zu begegnen. Aber langfristig, so Achitz, müsse man sich ein belastbareres System überlegen, wo den Pflegekräften mehr Wertschätzung, auch in finanzieller Hinsicht entgegengebracht wird.
Claudia Gigler