Der Weg zurück in die Normalität wurde nun um einen Schritt erweitert: Arztpraxen dürfen wieder öffnen. Und es wurde die Ausweitung der Test angekündigt. Bisher wurden 14.459 Österreicher positiv auf das Coronavirus getestet. 888 Menschen haben sich in den vergangenen 24 Stunden von einer SARS-CoV-2-Infektion wieder erholt, insgesamt sind 8.986 Österreicher genesen. Immer weniger Menschen, nämlich 967 befanden sich aufgrund einer Coronavirus-Erkrankung in krankenhäuslicher Behandlung, davon lagen 238 auf Intensivstationen. Bisher sind 410 Österreicher mit oder an Covid-19 verstorben.
Die Situation bleibt "ausgeglichen und stabil", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei einer Pressekonferenz zu den letzten Coronavirus-Werten. Natürlich hänge dies von der Zahl der Testungen ab, betonte der Minister, der eine Ausweitung diesbezüglich ankündigte. In den nächsten Wochen werden alle Bewohner und Mitarbeiter in Alters- und Pflegeheimen sowie Mitarbeiter im Handel verstärkt auf SARS-CoV-2 getestet. Allein in den Senioreneinrichtungen "geht es insgesamt um 130.000 Menschen", erklärte Anschober.
Nur mehr zwei Prozent aller Abstriche würden derzeit zu einem positiven Ergebnis führen. Durch die deutlich weniger Verdachtsfälle habe man die Möglichkeit, "noch schneller zu sein und rasch einzugreifen", sagte der Gesundheitsminister. Studien zeigen, dass in anderen europäischen Ländern rund die Hälfte aller Covid-19-Toten aus Heimen stammt. 918 gibt es in Österreich, "hier wollen wir einen zentralen Schwerpunkt realisieren und flächendeckend testen". Außerdem sei das Ziel, dass die "Abklärung maximal 48 Stunden dauern soll".
In der Steiermark gibt es laut Staatsanwaltschaft bereits wegen Todes- und Krankheitsfällen in einem Pflegeheim Ermittlungen wegen grob fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Gefährdung durch übertragbare Krankheiten. Insgesamt 39 Personen - Bewohner und Pflegekräfte - sollen in dem Heim positiv auf das Virus getestet worden sein. Zwölf Personen in dem 160 Betten umfassenden Pflegeheim sind seit Beginn der Krise verstorben, sechs Todesfälle sollen in Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen stehen. Den Betreibern wird angelastet, dass das Personal ohne ausreichenden Schutz arbeiten musste und so das Virus möglicherweise verbreitet hat.
Seit Dienstag befindet sich Österreich in Phase zwei. "Das ist die entscheidende Phase und die ist noch schwieriger und herausfordernder", sagte Anschober. Das erklärte Ziel ist "eine zweite Welle tatsächlich zu verhindern". So sollen für die weitere Öffnung in Österreich klare Voraussetzungen definiert werden. Nachdem bereits Baumärkte und kleinere Geschäfte aufsperrten, hat am Donnerstag die Österreichische Ärztekammer die Öffnung von Ordinationen empfohlen, die in den vergangenen Wochen wegen der Maßnahmen zur Virus-Eindämmung nur in Notfällen aufgesucht werden durften. Unter bestimmten Voraussetzungen - wie etwa das Tragen einer Maske oder Einhaltung des Mindestabstandes - können Arztpraxen nach telefonischer Vorankündigung wieder besucht werden.
Schneller werden wollen die Behörden auch beim Kontaktmanagement. Hier soll künftig binnen 24 Stunden erarbeitet werden, "welche Kontakte hatte die betroffene Person". Die Befragungen sollen von Polizisten durchgeführt werden, von Befragungsspezialisten des Landeskriminalamtes, betonte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). "Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam die Infektionskette zu unterbrechen". Auch die "Stopp Corona"-App wurde erneut als digitale Unterstützung von Anschober empfohlen.
Italien in der Kritik
Der Gesundheitsminister erläuterte bei der Pressekonferenz auch das weitere Vorgehen in Österreich. Derzeit befinde sich das Land mit der schrittweisen Öffnung der Lokalen ja in Phase zwei. Phase drei trete ein, wenn die Öffnung vollzogen sei, erst in Phase vier gebe es eine "Normalität, wie wir sie im Dezember, Jänner und davor hatten", sagte der Gesundheitsminister. Mit einem Impfstoff rechnet er frühestens im Frühling nächsten Jahres. Valide Antikörpertests erwartet sich Anschober "Ende April, Anfang Mai". Diese sollen dann in bestimmten Regionen und Berufsgruppen eingesetzt werden.
Italien ist indes von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen der hohen Zahl an Corona-Todesopfern in Seniorenheimen scharf kritisiert worden. Der stellvertretender WHO-Direktor Ranieri Guerra bezeichnete die vielen Todesfälle in italienischen Altenpflegeeinrichtungen als "Massaker" und forderte von der Regierung in Rom eine Reaktion. "Die Vorsichtsmaßnahmen müssen strenger sein. Es ist notwendig, die Standards der Behandlungen in diesen Heimen zu überdenken", sagte Guerra.
Angesichts der Vielzahl von Covid-19-Todesopfern hat die italienische Polizei diese Woche in dem besonders hart von der Krise getroffenen Land mit Kontrollen in Senioreneinrichtungen begonnen. 600 Heime wurden bereits inspiziert, bei 17 Prozent davon wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt. 15 Heime wurden geschlossen, ihre Bewohner anderswo untergebracht. Es gab Anzeigen gegen 61 Personen, gegen 157 weitere wurden Strafen verhängt. Im Kampf gegen die Epidemie starten in den nächsten zwei Wochen zudem landesweite Antikörper-Tests. 150.000 Personen aus verschiedenen Alters- und Berufsgruppen sollen sich Blutuntersuchungen unterziehen. Damit wollen die Behörden feststellen, wer Antikörper entwickelt hat, und ein Bild der Virus-Verbreitung erhalten.
Triste Zahlen weltweit
Weltweit nähert sich die Zahl der mit dem Corona-Virus Infizierten unterdessen 2,1 Millionen. Die Johns-Hopkins-Universität bezifferte sie Donnerstagmittag mit 2.076.015. Die Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 wurden mit 138.008 angegeben. Am Vortag waren es rund 128.000 gewesen. Die Zahl der Toten in Europa ist auf über 90.000 gestiegen. Am stärksten betroffen ist Italien mit 21.645, gefolgt von Spanien mit 19.130.
Während die USA die Fall-Statistik mit in etwa 640.000 weiter klar vor den europäischen Hotspots Spanien (183.000), Italien (165.000), Deutschland und Frankreich (je 135.000) anführten, steht Großbritannien bereits knapp vor der 100.000er-Grenze. Dort sollen die Ausgangsbeschränkungen am Donnerstag um drei Wochen verlängert werden. Ungarn hat die ursprünglich am Samstag endenden Ausgangsverbote bereits um eine Woche verlängert.
In der Türkei ist nach der Entlassung Tausender Häftlinge wegen der Corona-Krise auch ein berüchtigter Mafiaboss wieder auf freiem Fuß. Der unter anderem wegen Anstiftung zum Mord verurteilte Alaattin Cakici sei in Ankara aus dem Gefängnis entlassen worden, berichtete die Nachrichtenagentur DHA. Der Sender Habertürk meldete, Cakici sei auf Bewährung freigekommen.