Ärzte warnen vor medizinischen Kollateralschäden, weil wegen der Corona-Pandemie Kontroll- sowie Operationstermine sowie nicht dringenden Behandlungen verschoben würden. Der Salzburger Internist Jochen Schuler sprach laut "Kurier" (Mittwoch-Ausgabe) von "nicht quantifizierbare medizinischen Kollateralschäden des Shutdown".
"Es gibt derzeit eine große Menge an Patienten, die nicht gut versorgt werden. Die gewohnten Wege im Gesundheitssystem sind vielen versperrt," sagte Schuler. "Viele von uns haben das Gefühl, dass uns das um die Ohren fliegen wird, weil die Probleme verschwinden ja nicht." Es sei verständlich gewesen, dass in der ersten Phase der Pandemie alles auf Covid-19 ausgerichtet war: "Aber jetzt muss man sich wieder um funktionierende Strukturen kümmern." Arztpraxen würden außer Schutzkleidung auch einen rechtlichen Rahmen benötigen. "Viele haben Sorge vor behördlichen Schließungen nach Kontakt mit Infizierten."
Auch der Kardiologe Thomas Stefenelli, Leiter der 1. Medizinischen Abteilung im Donauspital, zeigte sich besorgt: Bereits in der Vorwoche meldete die Kardiologische Gesellschaft rückläufige Herzinfarkt-Zahlen. "Aber es kommen auch weniger Patienten mit diagnostizierter Herzschwäche. Diese sollten sich unbedingt melden, wenn sich ihr Zustand verschlechtert. Und es kommen deutlich weniger Patienten mit Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern, unbehandelt der Hauptrisikofaktor für Schlaganfall." Die Herzschwäche-Ambulanz sei früher übergegangen. "Jetzt kommen ein oder zwei Patienten am Tag." Stefenelli betont, dass Menschen mit akuten und zunehmenden Herzbeschwerden "unbedingt zu ihrem niedergelassenen Spezialisten oder ins Spital kommen sollen".
Ähnlich sieht dies auch der Präsident der Gesellschaft für Neurologie, Eugen Trinka: "Bei Schlaganfall-Symptomen (z. B. Lähmungen, Sprach-oder Sehstörungen) muss man sofort die Rettung rufen."
Große Sorge bereite Krebspatienten das Verschieben von Operationsterminen. "OP wegen fehlendem Intensivbett (wg. Covid 19) 03/20 unmöglich", heißt es in einem Arztbrief an eine Brustkrebspatientin etwa. Statt der OP werde jetzt als "Überbrückung" eine Chemotherapie durchgeführt. "Meine Mutter fühlt sich jetzt als Mensch zweiter Klasse", schrieb die Tochter der Zeitung. "Und zusätzlich besteht die Gefahr, dass sie auf die Chemo womöglich nicht anspricht und der Tumor dennoch ausstrahlt."
Paul Sevelda, Präsident der Krebshilfe, erklärte dazu: "Es gibt heute eine Reihe von Tumorerkrankungen, bei denen man zuerst eine Chemo und dann die Operation durchführt. Oder wo es keinen Unterschied macht, was zuerst stattfindet." Eine Verschiebung einer OP um einige Wochen habe in der Regel keinen Nachteil für die Patienten. "Und dringende Tumoroperationen werden überall durchgeführt."