Die erste Runde des ORF-Song-Contests im Home-Office ist geschlagen - und Islands Dadi Freyr samt der Gruppe Gagnamagnid wurde mit der trocken-ironischen Nummer "Think about Things" Sieger des Abends. Die Fachjury aus ESC-Altstars - darunter Waterloo, Simone, Alf Poier, Cesar Sampson und Conchita - wählte bei Ausgabe 1 von "Der 'kleine' Song Contest" die nordischen Nerds am Dienstag auf Platz eins.
Die groovige und im gleichen Atemzug parodistische Electronummer des in Berlin lebenden Sängers kam bei den zehn Juroren, die in ihrem jeweiligen Hausarrest frei Schnauze für jeden Song zwischen 0 und 12 Punkten vergeben konnten, in der Endabrechnung mit 75 Punkten auf den Spitzenplatz. Vier Punkte dahinter fanden sich Bulgarien und der Heuer-Fast-Gastgeber Niederland, der auch das Tournament eröffnet hatte.
Auch wenn der Auftakt mit den Signets noch den glamourösen Wiener ESC 2015 in Erinnerung gerufen hatte, hält es Andi Knoll bei der Minimundusausgabe des Megabewerbs bewusst unaufgeregt: Gewohnt schelmisch-bösartig knollte "Mr Song Contest" vom Schreibtisch aus seine Kommentare raus. Weniger zwingend erwies sich da die Entscheidung, im Stile von Privat-TV-Chartssendungen in die zugespielten Musikvideos zwischengeschnittene Kommentare von Prominenten wie Andi Ogris oder Monica Weinzettl einzublenden.
Aber: "So wie der Song Contest, ist auch das Leben kein Wunschkonzert", um Andi Knoll zu zitieren. Sei's drum. Mal Trash, mal solider Pop, mal knallige Ethnohymnen - in unruhigen Zeiten stellt die gemeinsame europäische Liederreise einen Hort der Stabilität dar, der coronahausarrestgepeinigte Gemüter wachrüttelt und in Erinnerung ruft, dass es jenseits der eigenen vier Wände noch ein, bisweilen schräges, Leben gibt.
Am Donnerstag folgt nun Teil 2 des Home-Office-ESC, bei dem ein weiteres Drittel der insgesamt 41 Teilnehmerländer mit den offiziellen Videos vorgestellt wird. Als krönender Abschluss ist dann am Samstag (18. April) die Finalrunde mit dem letzten Drittel der Kandidatenschar angesetzt - wobei hier Österreichs Vincent Bueno mit "Alive" im Rennen ist. Nachdem die Jury ihren dritten Tagessieger bestimmt hat, sind die Zuschauer am Wort. Sie können aus den drei Jury-Tagesgewinnern den offiziellen Sieger des "kleinen" ORF-Song-Contests küren - wobei es dieses Mal ausnahmsweise sogar möglich ist, für den heimischen Kandidaten zu stimmen.
Alleine steht Österreich übrigens nicht ganz mit seiner ESC-Ersatzshow, auch wenn sich Europa in dieser Frage eher uneins zeigt. In Spanien ist schon einmal eine reine Onlineausgabe des Bewerbs Ende März über die Bühne gegangen - mit dem heimischen Kandidaten Blas Canto und "Universo" als Sieger. Vincent Bueno als Rot-Weiß-Rot-Fahnenträger wurde auf der iberischen Halbinsel immerhin auf Platz 13 gewählt. Mit einer dreiteiligen TV-Austragung hat der ORF freilich die Nase vorn. Schweden, wo die nationalen Vorentscheidungen ("Melodifestivalen") jedes Jahr Top-Quoten einfahren, folgt am 9. und 14. Mai, wenn in zwei Abendshows durch das Voting des Publikums bei "Eurovision: Sveriges 12:a" der Sieger gekürt wird.
Einen regelrechten Stau gibt es dann am 16. Mai - dem eigentlich als Finalabend für Rotterdam vorgesehenen Datum. Die BBC will hier unter dem Titel "Eurovision: Come Together" und mit der Moderation von Talklegende Graham Norton eine Mischung aus Best-of-Performances und heurigen Vertretern zeigen. In Deutschland hat Mastermind Stefan Raab für ProSieben am gleichen Tag den "Free European Song Contest" konzipiert, dessen Details noch offen sind.
Und dann gibt es da ja noch die European Broadcasting Union (EBU) als eigentlicher ESC-Mutter, der man damit in die Quere kommt. Schließlich hat man hier die zweieinhalbstündige Ersatzshow "Europe Shine a Light" konzipiert, die unter anderem alle 41 Teilnehmer zu einem virtuellen Chor sowie mit Teilen ihrer Beiträge vereint. Auf einen Wettbewerb wird hier - laut Veranstalterangaben, um die Ausfallshaftung der Versicherung nicht zu gefährden - jedoch verzichtet. Ob der ORF diesen ESC-Moment am 16. Mai ebenfalls übertragen wird, ist derzeit noch offen, aber wahrscheinlich. Gefolgt von einer Wiederholung des ESC 2015 in Wien.