Auch für die Verwaltungsrichter ist klar, dass "außergewöhnliche Gefahren besondere Maßnahmen erfordern", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der - in einem Dachverband zusammengeschlossenen - Vereinigungen der Richter des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts sowie der Verwaltungs- und der Finanzgerichte. Aber die Coronakrise dürfe nicht als "Deckmantel für den Beginn einer neuen Ära intensiver digitaler Überwachungstechnologien benutzt" werden. Alle Maßnahmen müssten verhältnismäßig sein, im Einklang mit den Grundrechten stehen - und es müsse effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein.
Eine Pflicht-Tracking-App zur Corona-Kontrolle wäre beispielsweise ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte auf Datenschutz und Freiheit, stellen die Verwaltungsrichter fest. Sie appellieren an die Regierung, bei ihren Maßnahmen "die Grundsätze des Rechtsstaats nicht außer Kraft zu setzen" und Verhältnismäßigkeit zu wahren. Allerdings hat die Regierung eine Pflicht-App bisher sowieso abgelehnt.
Besonders wichtig wäre ein rascherer Rechtsschutz, sagt der Sprecher der Vereinigung, Markus Thoma.
Schnellere Prüfverfahren gefordert
Dazu fordert Thoma im Gespräch mit der APA konkret "schnellere Normprüfungsverfahren, mit einer Möglichkeit für den Verfassungsgerichtshof, auch rasch einstweilige Maßnahmen zu erlassen". Denn bisher wurden freiheitsbeschränkende Maßnahmen nur durch individuelle Bescheide von Gerichten oder Behörden gegenüber einer einzelnen Person verhängt, gegen die direkt Einsprüche - mit aufschiebender Wirkung - möglich sind.
Jetzt habe sich das geändert: Die Freiheit der Bürger werde generell durch die COVID-19-Gesetze und Verordnungen beschränkt. Das bedeutet einen stark verlangsamten Rechtsschutz: Diese Regelungen können nur im Zuge eines meist deutlich länger dauernden Normprüfungsverfahrens beim VfGH bekämpft werden. "Damit wird die Entscheidung, ob eine Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung steht, auf die lange Bank geschoben", stellt Thoma fest.
Erlässe kein zulässiges Mittel
Sehr kritisch sehen die Verwaltungsrichter auch die Tatsache, dass Eingriffe in die Freiheit teilweise sogar per Erlass - der eigentlich nur eine allgemeine Weisung an untergebene Verwaltungsorgane ist - gesetzt werden. Eingriffe in Grundrechte müssten "immer auf eine gesetzliche Ermächtigung gegründet sein. Bloße Erlässe stellen kein zulässiges Mittel für Eingriffe gegenüber Bürgern dar", heißt es in der Erklärung.
Den Verwaltungsrichtern werden die Corona-Maßnahmen noch einige Arbeit bringen - zumal für VfGH-Anträge der "Umweg" über Verwaltungsstrafverfahren nötig sein kann. Derzeit macht sich das allerdings noch nicht bemerkbar - wurden doch angesichts der Coronakrise die Fristen für Eingaben bei Gerichten erstreckt. Und auch das verlangsamt wieder den Rechtsschutz, merkte Thoma an.
Er habe "großen Respekt für die Politik, die hier schwierige Entscheidungen zu treffen hat", stellte er fest. Dennoch müsse man bei jedem Schritt überlegen, "was das für den Rechtsstaat bedeutet". Und: Mit "ernsten Einwänden" zu dieser Problematik müsse man sich "auch ernsthaft auseinandersetzen".