In Österreich hat es Anfang April zusätzlich zu den Erkrankten in Spitälern zwischen 10.200 und 67.400 mit SARS-CoV-2 Infizierte gegeben. Der wahrscheinlichste Wert lag bei 28.500 Infizierten, was 0,33 (sic!) Prozent der Bevölkerung entspricht. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Stichprobenuntersuchung von 1.544 Österreichern, wie Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) am Freitag bekannt gab.
Offiziell lagen den Behörden am 6. April rund 12.200 positive Testergebnisse auf SARS-CoV-2 vor, wobei über 3.400 Betroffene als wieder genesen ausgewiesen wurden. 220 Patienten waren zum damaligen Zeitpunkt an oder mit Covid-19 verstorben. Dem Ergebnis der nun vorgelegten Studie zufolge gab es Anfang April demnach deutlich mehr aktiv Erkrankte als die offiziell rund 8.600 behördlich bekannten.
"Wir dürfen uns nicht selbst täuschen. Der Eisberg ist größer als gedacht", gab angesichts dieses Ergebnisses Faßmann im Rahmen einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt zu bedenken. Mit der vom Sozialforschungsinstituts SORA durchgeführten Studie hatte man die Dunkelziffer bei den Corona-Infektionen klären wollen. Die Studie erlaube es, die sogenannte Prävalenz akuter Infektionen mit dem Coronavirus unter in Österreich lebenden, nicht im Spital befindlichen Menschen für den Zeitraum Anfang April 2020 abzuschätzen, legten die beiden SORA-Geschäftsführer, Günther Ogris und Christoph Hofinger, bei der Pressekonferenz dar.
Berücksichtigt man die Schwankungsbreite, waren zwischen 1. und 6. April mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit zwischen 0,12 und 0,76 der Österreicher mit SARS-Cov-2 infiziert, in absoluten Zahlen zwischen 10.200 und 67.400. Die Studie wurde im Auftrag des Wissenschaftsministeriums durchgeführt, die Teilnehmer für die Stichprobenuntersuchung wurden nach dem Zufallsprinzip aus öffentlichen Telefonverzeichnissen ausgewählt. Zusätzlich wurden vom Computer zufällig generierte Nummern angerufen und in die Stichprobe einbezogen. Die einzige Vorgabe war, dass die Zahl der Studienteilnehmer pro Bundesland genau dem Verhältnis der jeweiligen Landesbevölkerung zur Gesamtbevölkerung entspricht.
Deutlich mehr als bisher sichtbar
Die gesetzten Maßnahmen sind die richtigen", zog Faßmann erste Schlüsse aus der vorgelegten Untersuchung. Die von der Regierung erlassenen Vorkehrungen zum Schutz vor einer Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 - Abstandhalten, Einschränkungen des öffentlichen Lebens und des individuellen Bewegungsradius - müssten um "zusätzliche Wochen und Monate" berücksichtigt werden. Ungeachtet der nach den Osterfeiertagen vorgesehenen Lockerungen seien die fortgesetzten Regeln und Disziplin einzuhalten, "bis das Infektionsrisiko sinkt", betonte Faßmann. Er kündigte an, man werde ein Monitoring betreiben, "ob die Zahl der Infektionen nicht ansteigt".
Die Stichprobentestungen werden daher fortgesetzt, die nächste landesweite Covid-19-Prävalenzstudie soll bereits am 16. April starten. Sie wird wieder im Auftrag des Wissenschaftsministeriums durchgeführt, diesmal von Statistik Austria erneut in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK) und der Med-Uni Wien. Diesmal sollen rund 2.800 Personen ab 16 Jahren repräsentativ ausgewählt werden. Sie erhalten ab 16. April per Brief Informationen über den Ablauf der Studie. Die Tests - wiederum PCR-Abstriche - werden von Mitarbeitern des Roten Kreuzes zwischen 21. und 25. April durchgeführt, erste Ergebnisse sollen Ende April vorliegen.
Faßmann räumte ein, dass es ohne Antikörper-Tests, bei denen auf Blutproben zurückgegriffen wird, keine valide Aussage über die Immunisierung der Bevölkerung geben kann. In diese Richtung seien selbstverständlich ebenfalls Testungen angedacht, es sei aber in zeitlicher Hinsicht nicht davon auszugehen, dass aktuell schon ein höherer Immunisierungsgrad gegeben ist. Außerdem sei man mit den Antikörper-Tests "noch nicht so weit, um uns eindeutige Empfehlungen zu geben", sagte der Wissenschaftsminister.
Faßmann warnte vor einem "Import" von Infizierten aus dem Ausland, sollten die in der Corona-Krise verhängten Reisebeschränkungen zu früh fallen. Dies könnte "ein exponentielles Wachstum" der Corona-Fälle zur Folge haben. Auf die Frage, was das für die Sommersaison im Tourismus bedeute, verwies Faßmann auf die von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für Ende April in Aussicht genommenen nächsten Evaluierungsschritte.