Die meisten EU-Länder haben im Kampf gegen das Coronavirus mittlerweile die Grundrechte ihrer Bürger eingeschränkt. "Bisher haben 20 EU-Länder eine Art Notstandsgesetzgebung verabschiedet, um die Corona-Krise erfolgreich zu bekämpfen und die notwendigen Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen (...) durchsetzen zu können", sagte EU-Kommissions-Vizepräsidentin Vera Jourova der Zeitung "Die Welt".
Auf lange Sicht bestehe jedoch die Gefahr, dass die Demokratie durch diese Maßnahmen geschwächt wird, so Jourova. "Darum ist Kontrolle in diesem Moment so wichtig." Eine demokratische Balance sei dringend erforderlich. "Das Coronavirus darf die demokratische Ordnung nicht killen", betonte Jourova.
Nach ihren Angaben untersucht die EU-Kommission derzeit in allen betroffenen Ländern die Notfallmaßnahmen und prüft, ob sie gegen demokratische Grundwerte (Artikel 2, EU-Vertrag) verstoßen. "Wenn das der Fall sein sollte, werden wir einschreiten", sagte die Politikerin aus Tschechien.
Mit Blick auf die umstrittene Notstandsgesetzgebung in Ungarn sagte sie, dass auch diese "im Detail" analysiert werden müsse. "Ich habe aber meine Bedenken, was die Zeitbegrenzung und eine effektive parlamentarische Kontrolle angeht." Zudem bestehe "die Gefahr, dass es bei der Berichterstattung über die Corona-Krise durch die Medien zu einer Zensur kommen könnte". Die Kommission werde jetzt aber genau verfolgen, wie das Gesetz in der Praxis angewendet wird. "Wir werden genau verfolgen, wann die Maßnahmen in Ungarn beendet werden", betonte sie. "Ich erwarte von der Regierung, dass das in naher Zukunft passieren wird. Dann ist der Moment der Wahrheit gekommen."