Um eine Ausbreitung des Coronavirus in Haftanstalten zu verhindern, hat Marokkos König Mohammed VI. mehr als 5.600 Strafgefangene begnadigt. Die Insassen würden wegen der "außergewöhnlichen Umstände im Zusammenhang mit der Gesundheitssituation und den notwendigen Maßnahmen" zur Eindämmung des Coronavirus schrittweise aus der Haft entlassen, teilte das Justizministerium in Rabat am Sonntag mit.
Marokko hat bisher 960 Infektions- und 66 Todesfälle durch das Coronavirus gemeldet. Nach Angaben des Justizministeriums wurden die insgesamt 5654 begnadigten Häftlinge anhand von Alters- und Gesundheitskriterien ausgewählt. Zudem sei die Länge der Haft sowie das Verhalten der Gefangenen berücksichtigt worden.
Marokkos Gefängnisse berüchtigt für ihre Überfüllung
Neben der Massenbegnadigung wies Mohammed VI. die Behörden an, "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz von Gefängnisinsassen zu gewährleisten". Die marokkanischen Gefängnisse sind berüchtigt für ihre Überfüllung. Auf 100.000 Einwohner in dem nordafrikanischen Land kommen Schätzungen zufolge etwa 232 Strafgefangene.
Menschenrechtsorganisationen hatten angesichts der Coronavirus-Pandemie zur Freilassung aller politischen Gefangenen in Marokko aufgerufen, darunter auch jenen, die in Untersuchungshaft sitzen. Unklar blieb zunächst, ob unter den nun begnadigten Gefangenen auch Mitglieder der Protestbewegung "Hirak" waren, die in den Jahren 2016 und 2017 Massendemonstrationen in Marokko organisiert hatte.
Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet hatte die UN-Mitgliedstaaten im März dazu aufgerufen, angesichts der Corona-Krise die Freilassung von besonders durch das Coronavirus bedrohten Gefangenen in Erwägung zu ziehen. Als Beispiele nannte sie ältere Gefangene oder solche, die nur geringe Straftaten begangen und ein geringes Rückfallrisiko hätten.
Unter anderem in Indonesien, Afghanistan und im Iran wurden zur Verhinderung einer Ausbreitung des Virus bereits tausende Gefangene freigelassen.