Die Quasselstrippe. Erinnern Sie sich an dieses hübsch vergilbte Wort. Eines, das einem die Eltern – je nach Anzahl der Minuten, die man das einzige (!) Familientelefon schon blockierte – in verschieden zornigen Tonlagen zuriefen. Das Telefon und das dazugehörige Verb hatten in Zeiten vor Corona und einer Häppchen-Kommunikation in Chats beinahe ausgedient.
Aktuell hängen wir aber alle gerne an der Strippe, verglühen uns die Ohren und tauschen Befindlichkeiten aus dem Daheim, das für viele zugleich Büro und Privatsphäre ist, aus. In Worten. Sprechend. Und weil gemeinsame Familientelefone nun doch schon ein paar Jährchen der Vergangenheit angehören und die digitale Welt sich weiterentwickelt hat, sind wir dank Whatsapp, Skype und Co. zur Verlängerung via Videotelefonie fähig. Und wie! Sogar Eltern und Großeltern machen mit.
Diese Pandemie mitsamt ihrer Unsicherheiten hat zu einem Comeback des Telefonierens geführt, das sich auch in Zahlen messen lässt: Laut Telekommunikationsministerin Elisabeth Köstinger gab es zuletzt Zuwächse bei der Sprachtelefonie von bis zu 120 Prozent und beim Datenverkehr von bis zu 40 Prozent. Am letzten Wochenende, so Magenta-Chef Andreas Bierwirth, sei mehr telefoniert worden als je zuvor.
„Telefon, Telefon: Wenn dein Ruf erklingt, frag ich mich beim ersten Ton, was er Neues bringt“, sang schon Margot Hielscher beim Song Contest 1957. Die Ereignisrate ist aktuell zwar eingeschränkt, aber wir rufen gerne an, werden gerne angerufen – und all diese Kommunikation wird auch noch erwidert.
Telefonieren verbindet
Wir hören einfach gerne Stimmen – und zwar die vertrauten, deren dazugehörige Menschen uns nahe stehen, denen wir aber aktuell nicht physisch nahe sein dürfen. Telefonieren verbindet Generationen, Freunde aus nah und fern und die gesamte Bekanntschaft. Wir erzählen, bekommen Voice-Nachrichten oder manchmal sogar ein Gedicht vorgelesen (Danke, Jörgi!), wir hören zu, achten auf Tonlagen, wir weinen uns aus und lachen gemeinsam. Jeder Zwischenton zählt. „Guten Morgen“-Kaffees im Pyjama bestimmen ebenso unseren Alltag wie der Blick neugieriger Mamas, kombiniert mit der vorwurfsvollen Frage, ob man denn „wenigstens jetzt Ordnung halte“, oder die ungeschminkte Kollegenschaft in der Videositzung.
Ausreden wie "Ich muss weg!" gelten nicht mehr
Die gute Nachricht: Abends kann man trotzdem mit Freunden einer Theatervorstellung beiwohnen, den Yogakurs besuchen, Konzerten lauschen, Salsa tanzen oder sich dem großen Gefühlskino hingeben – virtuell halt. Macht nix. Man kann das Erlebte am nächsten Tag ja ausführlich nachbesprechen. Ausreden wie „Ich muss weg!“ oder „Ich hab’ einen Termin“ gelten ja jetzt nicht mehr.