Womöglich hatte die Regierung vor wenigen Tagen in ihrer Pressekonferenz falsche Hoffnungen geweckt, als eine Verlängerung der Ausgangsbeschränkungen bis zum Ostermontag verkündet wurde - mit dem Nachsatz: „Dann wird stufenweise - im ldealfall - das System wieder hochgefahren.“ Eine eigene Arbeitsgruppe im Kanzleramt befasse sich bereits mit den Modalitäten und Optionen, hieß es.
Trendwende nicht einmal am Horizont sichtbar
Bundeskanzler Sebastian Kurz sah sich am Dienstag genötigt, die Hoffnungen zu dämpfen. „Wir werden nach Ostern in einer Phase sein, die der heutigen mehr ähnlich ist als dem Normalzustand.“ Ein schrittweise Lockerung sei erst möglich, wenn sich die Zahl der Infizierten nur alle 14 Tage verdoppelt. Derzeit verdoppeln sich die Ansteckungen alle drei bis vier Tage, gegen 18 Uhr wurde die 5000er-Marke übersprungen.Eine Abflachung ist derzeit nicht in Sicht - ganz zu schweigen von einer Trendwende.
Vorbereitungen für den Ernstfall in Spitälern
Im Gegenteil: Derzeit haben der Kanzler, der Gesundheitsminister, die Wirtschaftsministerin alle Hände voll zu tun, im nahen und fernen Ausland Masken, Beatmungsgeräte, Schutzkleidung für den - hoffentlich nie eintretenden - Ernstfall in Spitälern und Intensivstationen zu organisieren. In Wien und anderswo werden Lazarette erreichtet, die Wiener SPÖ denkt bereits über die Absage des 1.Mai-Aufmarsches nach, am 4. Mai, drei Wochen nach Ostern, wird die Miliz mobilisiert. Noch wackelt der Termin für die im Oktober anberaumte Wiener Gemeinderatswahl nicht - zumindest derzeit.
Österreich als Vorreiter beim Lockdown
Über ganz Europa wird in diesen Tagen der Lockdown verhängt. Österreich zählte zu den Vorreitern bei den Ausgangsbeschränkungen, Dänen, Ungarn, Bayern,auch die Franzosen übernahmen Kernelemente der österreichischen Regelung. Erst dieser Tage zogen Briten und Polen nach - dem Vernehmen nach schauten sich die Briten einige Details in Österreich ab.
Heuer nur Geisterspiele?
Die Niederlande, die weniger Infizierte als Österreich aufweist, hat alle Veranstaltungen bis 1. Juni verboten. Die Euro-2020 und Olympia wurden um ein Jahr, auf 2021, verschoben. Der deutsche Chefvirologe Drosten deutete kürzlich an, im heurigen Jahr dürfte kein einziges Fußballstadion mehr seine Pforten öffnen. Denkbar seien höchstens Geisterspiele, wenn überhaupt. Sieht so eine Rückkehr zur Normalität vor dem Sommer aus?
Corona als Marathon - aber bei welchem Kilometer?
Wirft man einen Blick nach China oder nach Italien, drängt sich der Eindruck auf, dass die Corona-Seuche einem riesigen, behäbigen Tanker gleicht, der, wenn er einmal Fahrt aufgenommen hat, nur äußerst langsam, mit viel Aufwand zu stoppen ist. Corona ist wie ein Marathon, meinte Kurz kürzlich. Worauf er sich nicht festlegen wollte: Sind wir bei Kilometer zehn, fünf oder gar erst zwei? Wer Corona stoppen will, benötigt Ausdauer, Hartnäckigkeit und einen sehr langen Atem.
Staatsoper und Stadthalle - bitte warten!
In Regierungskreisen will man zum heutigen Zeitpunkt in keiner Weise darüber spekulieren, wann und wie die Maßnahmen gelockert werden könnten. Ein paar Elemente zeichnen sich allerdings ab: In einem ersten Schritt könnten kleine Geschäfte ihre Pforten wieder öffnen, allerdings unter der Auflagen - dass Angestellte oder Kunden Masken tragen dürfen. Wo nur wenige Leute zusammenkommen, dürften es schneller gehen, weil dort die 1-Meter-Regel leichter aufrechtzuerhalten ist. Kleine Restaurants, allenfalls größere Geschäfte wie Baumärkte könnten folgen. Schulen, Universitäten, Opernhäuser, ganz zu schweigen von der Wiener Stadthalle oder Fußballstadien, also Orte, wo Hunderte oder Tausende auf engem Raum zusammenkommen, werden warten müssen.
Zugriff auf Big Data
Bei der Rückkehr zur Normalität will Kurz, so seine Aussage in der Pressekonferenz, auf Big Data zurückgreifen. Bereits heute übermitteln die Mobilfunkbetreiber Handydaten in anonymisierter Form der Bundesregierung, um Mobilitätsströme und Bewegungsprofile (nicht des Einzelnen, sondern von Großgruppen) auswerten zu können. Am Mittwoch aktiviert das Rote Kreuz die App "Stopp Corona", die als eine Art Kontakttagebuch via Smartphone gedacht ist und über Verdachtsfälle und bestätigte Infektionen von Personen informiert, mit denen man in den vergangenen 48 Stunden Kontakt hatte. Big Data soll, so die Hoffnung der Regierung, dafür sorgen, dass bei der schrittweisen Öffnung keine verhängnisvollen Fehler passieren, die zu einem Rückfall bei Infizierten und Toten führen würden.
Aufatmen zu Weihnachten?
Zeitliche Prognosen sind in Regierungskreisen keine zu erfahren. Ein Insider meint: „Ich hoffe, dass wir zu Weihnachten um den Christbaum sitzen und sagen können: Wir haben es geschafft, und wir haben es gut geschafft.“