Die aktuellen Beschränkungen für Bewegungsfreiheit und soziale Kontakte wurden bis 13. April verlängert. Für wie realistisch halten Sie es, dass danach wieder auf Normalbetrieb umgestellt werden kann?
Karl Nehammer: Der Gesundheitsminister hat das klar festgestellt: Auch wenn wir es schaffen, die Infektionskurve abzuflachen, haben wir weiterhin Infektionen. Aber ja, wenn die aktuellen Maßnahmen wirken, wird es für die Zeit nach Ostermontag ein verändertes Maßnahmenpaket geben. Aber eben erst, wenn sich deutliche Verbesserungen zeigen.
Wie könnte ein solches Paket aussehen?
Karl Nehammer: Das kann Ihnen derzeit niemand seriös beantworten, weil sich die Lage sehr schnell ändern kann. Aber wir sind in ständigem Austausch mit Expertinnen und Experten. Denn über die Maßnahmen entscheidet zwar die Politik, aber ihnen liegen immer Expertenempfehlungen zu Grunde.
Nun zeigt die Erfahrung aber, dass Menschen "unfolgsamer" werden, je länger solche Maßnahmen dauern. Wie will die Exekutive verhindern, dass sich die Österreicher nach einer Weile wieder "annähern" und ihr Sozialleben hochfahren?
Karl Nehammer: Die dramatische Situation in Italien führt uns vor Augen, was passiert, wenn das Gesundheitssystem überlastet ist. Und dass es das zu verhindern gilt, muss den Menschen bewusst gemacht werden. Ich weiß, dass das nicht einfach ist. Aber jede und jeder Einzelne kann jetzt Lebensretter sein, indem er sich an die Maßnahmen hält.
Wer sich nicht daran hält, wird ermahnt oder bestraft. Stellt sich die Polizei hier auf eine Anzeigenflut ein?
Karl Nehammer: Bisher ist es zu mehr als 1.300 Anzeigen gekommen und dieses Niveau wird sich in den nächsten Tagen wohl halten. Die Polizei handelt konsequent, wenn den Maßnahmen nicht Folge geleistet wird. In weiterer Folge gibt es eine Anzeige, wer sich dann noch immer widersetzt, kann in letzter Konsequenz auch festgenommen werden. Je konsequenter die Polizei hier auftritt, desto eher werden sich die Menschen dran halten.
Dieses Auftreten veranlasst einige Beobachter dazu, vor den Anfängen eines Polizeistaates zu warnen. Können Sie diese Sorge nachvollziehen?
Karl Nehammer: Wenn es um die - befristete - Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten geht, kann ich diese Sorge zwar nachvollziehen, aber ich teile sie nicht. Die Regierung achtet hier aber auf eine geringstmögliche Beeinträchtigung der betroffenen Schutzrechte und jedes Vorgehen der Polizei basiert auf Gesetzen. Also auf dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.
Mittels Assistenzeinsatz bekommt die Polizei nun Unterstützung vom Bundesheer. Wo werden die dadurch frei gespielten Beamten eingesetzt?
Karl Nehammer: Nachdem die Soldaten die Bewachung zahlreicher Botschaften übernehmen, werden etwa 150 Polizistinnen und Polizisten im normalen Dienst oder bei den Sondereinheiten freigespielt. Und dort werden sie auch gebraucht. Die Kriminalität hat ja nicht wegen Corona einfach aufgehört.
Wie wirkt sich der Virus auf eben diese Kriminalität aus? Weniger Einbrüche, weil die Menschen zuhause sind?
Karl Nehammer: Die Maßnahmen sind noch zu kurz in Kraft, um schon eine klare Veränderung feststellen zu können. Aber ja, die eingeschränkte Bewegung der Menschen ist bei der Art der Einsätze bereits sichtbar. Menschen mit krimineller Energie suchen sich aber immer einen Weg.
Die eingeschränkte Bewegung führt auch zu mehr häuslicher Gewalt. Rechnen Sie hier mit mehr Einsätzen?
Karl Nehammer: Ja, vor allem mit Fortdauer der Beschränkungen. Deshalb hat die Regierung hier eine entsprechende Informationsoffensive gestartet. Und wir bereiten unsere Polizisten nun darauf vor, dass es zu mehr Einsätzen dieser Art kommen kann.
Weiterhin verbreiten sich Falschmeldungen über Soziale Medien, auch über das Vorgehen der Polizei. Warum werden Sie dessen nicht Herr?
Karl Nehammer: Da sind die unglaublichsten Gerüchte im Umlauf. Zum Beispiel soll ein Polizeihubschrauber über Wien gekreist sein, um die Stadt zu desinfizieren. Was natürlich jeder Grundlage entbehrt. Deshalb ist es umso wichtiger, hier aufzuklären. Wer sich nicht sicher ist: bitte die Coronavirus-Hotline der AGES anrufen - 0800 555 621. Und jene Urheber solcher Meldungen, die wir ausfindig machen, werden natürlich strafrechtlich belangt.