Andreas Zach
Andreas Zach ist Geschäftsführer einer Grazer Firma – aber auch Sportdirektor des Gnaser Fußballklubs.
„Im Normalfall beginnt mein Tag schon um 7 Uhr früh in meinem Unternehmen in Graz. Insofern trägt die Krise zur Entschleunigung bei, weil der Tag jetzt zwar auch um 7 Uhr, aber dafür bei mir daheim in der Südoststeiermark beginnt. Denn auch mein Betrieb, der auf Kundenkontakt angewiesen ist, hat praktisch zugesperrt. Meine Leute sind auf Urlaub, im Zeitausgleich und bald auf Kurzarbeit, weil eine Produktion nicht mehr möglich ist. Dafür habe ich jetzt auch Zeit, mich um den USV Gnas zu kümmern. Wir sind ein Fußballklub in der steirischen Landesliga, haben vor mehr als zehn Jahren, nach einem finanziellen Kollaps, alles umgestellt. Wir spielen praktisch ausschließlich mit Spielern aus der Region. Auch wir haben jetzt Videokonferenzen, in denen wir über die Zukunft reden – von der noch keiner weiß, wie sie aussehen wird. Wird die aktuelle Spielzeit fertiggespielt? Wie erstellen wir den Kader und was passiert mit den Sponsoren für die kommende Saison? Fragen, die uns derzeit beschäftigen. Wobei: Selbst diese Klärungen entschleunigen gerade. Im Verein sind wir alle befreundet, das ist telefonischer Kontakt, der Freude macht. Und dazwischen arbeite ich am 5000-Teile-Puzzle, das ich mir von meiner Schwester Sandra geborgt habe.
(Protokoll von Michael Schuen)
Stefanie Schmidt
"Ich wähle Worte so, dass ich Patienten keinen Schrecken einjage": Stefanie Schmidt (27) ist Kinderkrankenschwester auf der Kinderklinik in Graz.
"Die einzige Routine, die ich in diesen Tagen habe, ist der übliche Weg zur Arbeit. Wenn auch situationsangepasst. Statt Bus und Bim nehme ich jetzt das Auto. Besser gesagt: Mein Freund fährt mich. Er hat sich sein Büro in unserem Wohnzimmer eingerichtet. Ich sehe das Homeoffice aber nicht als Privileg. Ich bin gerne Krankenschwester und als ich mich für den Beruf entschieden habe, habe ich mich auch bewusst für alles entschieden, was er mit sich bringt. Dass wir in den kommenden Wochen auf der Station mit Überstunden rechnen müssen, ist uns bewusst. Und sowieso gehe ich in diesen Tagen ungern hinaus. Es ist nicht die Ansteckung, vor der ich mich fürchte, vielmehr, dass ich die Gefahr für andere sein könnte. Auf der Kinderklinik versuchen wir die Worte so zu wählen, dass wir den kleinen Patienten keinen Schrecken einjagen: Die Krankheit kann für uns schlimm, aber für Oma oder Opa gefährlich sein.
Einkäufe und Spaziergänge habe ich aufs Minimum reduziert, stattdessen den Großteil meiner Zeit in das puristische Sortieren meiner Wintergarderobe gesteckt. Am meisten belastet es mich, meine Familie nicht besuchen zu dürfen. Mit Telefonkonferenzen und Videoanrufen rebellieren wir gegen Sehnsucht und Langeweile aber gut."
(Protokoll von Daniela Brescakovic)
Mahnaz Tischeh
Mahnaz Tischeh macht Pressearbeit für die Kulturbranche – ihre Einkünfte sind nun auf null gesunken.
"Mein berufliches Leben hat sich seit dem 16. März drastisch verändert. Ich mache Pressearbeit für die Filmbranche und bis Ende April hätte ich die Kinostarts von drei Filmen ('Das Fieber', 'Waren einmal Revoluzzer', 'Ein bisschen bleiben wir noch') betreut. Das fällt nun alles aus – beziehungsweise sind die Starts nach hinten verschoben worden. Da ich auf Projektbasis arbeite, sind meine Einkünfte damit auf null gesunken. Ich muss nun erst eruieren, ob ich ein Fall für den Härtefallfonds bin. Bei der SVA habe ich zunächst einmal meine Zahlungen auf Stundung gestellt. Als Familie haben wir Glück, wir leben zu viert in einer großen Wohnung mit Dachterrasse. Wir bleiben, bis auf kurze Spaziergänge zu zweit, zu Hause. Der Achtjährige macht am Vormittag Home-School, mein Mann und ich wechseln uns in der Betreuung ab. Beim 13-Jährigen funktioniert das E-Learning sehr gut. Ich bin tagsüber eigentlich in einem Büro eingemietet, jetzt aber zu Hause. Wir versuchen ein Mindestmaß an Geregeltheit im Alltag an den Tag zu legen. Neue Rituale gibt es auch: ein gemeinsames Mittagessen unter der Woche – das ist ganz schön. Und wir schauen, dass wir uns in puncto Musik und Filme einigen. Alternativ darf jeder einmal die Playlist bestimmen."
(Protokoll von Julia Schafferhofer)
Walter Ninaus
Walter Ninaus, der Pressebeauftragte der FF Voitsberg, befindet sich in freiwilliger Selbstisolation.
"Da auch ich zu den Risikogruppen beim Coronavirus zähle, befinde ich mich seit dem 12. März in freiwilliger Heimquarantäne und war seit diesem Zeitpunkt nicht mehr außer Haus. Das fällt mir aber gar nicht schwer, da ich an meiner Seite meine Gattin habe, welche mich dabei unterstützt. Meine 95-jährige Mutter wohnt zwei Stockwerke über uns und wird von uns mit Essen und Getränken versorgt. Sie verlässt das Haus nur zu "gesicherten" Spaziergängen ohne Kontakte im Hof unseres Mehrparteienhauses. Nach dem Durchforsten der Unterlagen steht bei mir die Sammlung und Weitergabe von statistischen Daten aus dem Internet zum Thema Coronavirus auf Facebook zu meinen Haupttätigkeiten in dieser ungewöhnlichen Zeit. Ich habe schon Fans, die ständig auf die neuesten Daten warten. Natürlich übe ich meine Tätigkeit als Pressebeauftragter der Stadtfeuerwehr Voitsberg auch weiter von zu Hause aus aus. Bei Einsätzen bekomme ich von den Kameradinnen und Kameraden die Fotos und Informationen, worauf ich diese bearbeite und an die Presse weiterleite.
Wir können nur hoffen, dass die vorsichtigen Prognosen der Bundesregierung einer Reduzierung der Maßnahmen nach Ostern in Erfüllung gehen."
(Protokoll von Rainer Brinskelle)
DJ Patrick Light
Der Grazer DJ Patrick Light fordert per Stream mehrmals pro Woche (auch heute!) zum Tanzen auf.
"Die Idee ist mir gekommen, als vor einer Woche alle Clubs und Lokale zugesperrt haben. Als DJ – ich lege unter anderem im Grazer Three Monkeys, im Rossini Gleisdorf oder am TU-Fest auf – sind mir da natürlich alle Auftritte weggebrochen. Ich habe mir überlegt, was ich den Leuten unter dem Motto #StayTheFuckHome als Ersatz anbieten könnte, und kam so darauf, zu Hause aufzulegen. Ich sende aus meinem Studio in einer Wohnung in Graz, wo ich mit meiner Freundin und unseren zwei Katzen daheim bin. Der Stream läuft über die Plattform Twitch.TV, derzeit jeden Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag, immer von acht Uhr abends bis Mitternacht. Der Name dafür war auch schnell gefunden: 'Club Quarantäne'. Über Instagram und Facebook hat es sich schnell herumgesprochen, ich bin mit den Gästen via Chat in Kontakt, wir stoßen dann auch einmal virtuell mit einem Bier an. Daneben studiere ich in Berlin Musikproduktion und hoffe, bald mit dem Bachelor abschließen zu können. Das Studium erfolgt via Fernunterricht, es gibt auch geblockte Präsenzphasen, die werden jetzt wohl online absolviert. Am meisten Zeit geht aber gerade für meine DJ-Sets drauf. Vielleicht baue ich heute auch meine Katzen mit ein!"
(Protokoll von Nina Müller)
Wolfgang Retter-Kneissl
Winzer, Bauer und Buschenschankbetreiber Wolfgang Retter-Kneissl: Der Fleißige hat auch danach Erfolg.
"Der Mensch hat immer geglaubt, er kann sich die Welt stets nach seinen Vorstellungen richten. Jetzt sind wir zum Umdenken gezwungen, und das wird uns langfristig guttun. Auch bei uns hat sich alles auf den Kopf gestellt. Am 1. März starteten wir traditionell den Buschenschankbetrieb, ein paar Tage später haben wir schon wieder zugemacht – noch vor der behördlichen Sperre. Es geht ja auch um den Schutz meiner Familie. Zumal unsere Region, das Hartbergerland, mit Corona-Fällen ziemlich leidgeprüft ist. Das vorbereitete Fleisch werden wir als Osterfleisch über neue Wege vermarkten. Auch Selchwaren halten länger. Und beim Wein habe ich schon einige Ideen, wie und vor allem wo wir ihn in der Zeit nach der Krise verkaufen können. Sicher entgeht uns jetzt – auch durch die Absage des Steiermark-Frühlings in Wien – viel Umsatz. Aber just in diesem Moment, wenn mein zweieinhalbjähriger Sohn lachend mit mir unterwegs ist, zeigt sich: Es geht im Leben nicht nur ums Geld.
Die gesamte Familie genießt das, in einer Zeit, in der sonst alle nur funktionieren müssen, plötzlich viel mehr Zeit füreinander zu haben.
Was die Zukunft betrifft, so bin ich überzeugt: Der Fleißige wird auch nach der Krise Erfolg haben."
(Protokoll von Ulrich Dunst)
Johanna Moder
Ihr neuer Film "Waren einmal Revoluzzer" hätte am 19. März in die Kinos kommen sollen
"Die Premiere meines neuen Films "Waren einmal Revoluzzer" in Wien wurde abgesagt. Die Termine in den Bundesländern und der Kinostart am kommenden Freitag sind verschoben. Jetzt werden wir voraussichtlich im Hochsommer starten, was sicher nicht die beste Voraussetzung für einen sogenannten Winterfilm ist. Der jetzige Termin war ja über Monate sehr gut vorbereitet und rund um die Diagonale positioniert. Aber mittlerweile ist ja auch die Diagonale in Graz für 2020 gecancelt. Das ist höchst bedauerlich, weil es ein kulturell wichtiges Event ist und für uns so etwas wie eine Berufsmesse. Was es finanziell bedeutet, kann man sich zurzeit gar nicht ausmalen, vor allem für Filmverleiher und Kinos, die einen Totalausfall haben und dennoch weiter Mieten zahlen müssen. Trotz allem sind diese nun getroffenen Maßnahmen enorm wichtig. Gesundheit geht immer vor. Am wichtigsten ist es, dass wir gemeinsam durch diese Krise kommen. Jetzt passiert nichts und man versäumt nichts. Es bleibt also viel Zeit fürs Lesen, Schreiben und Lernen."
(Protokoll von Julia Schafferhofer)
Friedrich Kleinhapl
Der Grazer Cellist Friedrich Kleinhapl (54) übt wie sonst und bereitet Projekte vor, auch wenn diese unsicher sind.
Für einen freiberuflichen Musiker wie mich ist die Situation natürlich sehr mühsam. Drei meiner Konzerte wurden abgesagt, darunter eine Kooperation von Musikverein und Diagonale. Ein anstehendes Festivalprojekt, zwei, drei weitere größere Produktionen, eine CD-Aufnahme ... ich übe wie immer und arbeite weiter an der Zukunft, aber jeder Partner ist derzeit mit Selbsterhalt beschäftigt und die Firmen stehen kopf. Wer keinen finanziellen Polster hat, für den wird es katastrophal, wenn die Krise länger dauern sollte. Dann sind wir alle in ein paar Monaten vielleicht virenfrei, aber womöglich hat die wirtschaftliche Atombombe längst eingeschlagen. Ich hatte schon lang den Eindruck, unser bis weit über die Grenzen ausgereiztes System steht auf Zahnstochern, und da braucht es nur wenig, dass alles ins Wanken kommt. Es wäre zu hoffen, dass diese Katastrophe auch positive Konsequenzen hat, dass sie ein Bewusstsein schafft, alles ein bisschen zurückzuschrauben und mit dem System, mit der Natur, miteinander besser umzugehen.
(Protokoll von Michael Tschida)
Reinhold Rollinger
Reinhold Rollinger ist Buchhändler in Bruck an der Mur. Er will verhindern, dass Corona sein Leben bestimmt.
Obwohl unsere Buchhandlung seit Montag geschlossen ist, stehe ich weiterhin um 5.30 Uhr auf, lese die Tageszeitungen und bereite das Frühstück für meine Frau und die Kinder. Wir besprechen, was wir tagsüber vorhaben. Dann gehe ich in die Arbeit, meine Frau hat bereits auf Homeoffice umgestellt. In der Buchhandlung bearbeite ich Anfragen und Bestellungen, ausgeliefert wird ja nach wie vor. Nach der Arbeit gehe ich in der Umgebung von Bruck wandern und spazieren. Am Abend sitze ich mehr vor dem Fernseher als sonst, um die neuesten Entwicklungen rund um Corona zu verfolgen. Danach lese ich, und zwar derzeit nur Unterhaltung und Krimis, um auf andere Gedanken zu kommen. Momentan ist "Herzklappen", der neue Roman von Valerie Fritsch, an der Reihe. Mein Leben verläuft in Zeiten von Corona langsamer und beschaulicher, trotzdem ist es nicht entspannt, sondern etwas beklemmend. Daheim bemühen wir uns, den Tag zu strukturieren wie immer. Das gibt Stabilität in diesen Zeiten.
(Protokoll von Franz Pototschnig)
Andrea Reiter
Andrea Reiter ist engagierte Physiotherapeutin. Am Freitag schloss ihre Praxis. Nun nutzt sie die rare Zeit.
"Mein Mann Emanuel und ich arbeiten beide als Physiotherapeuten im Raum Graz. Am Freitag hat meine, hat seine Praxis geschlossen. Wir dürften zwar unter Auflagen arbeiten: Aber wie etwa soll der Abstand eingehalten werden? Zum Schutz der Patienten und zu unserem haben wir geschlossen. Die Patienten reagierten unendlich verständnisvoll. Nun sind wir zu Hause und nutzen die Zeit, um mit unserem Noah (3) zu spielen, Lego, Uno ... Oder für eine kleine Runde mit dem Hund. Sonst bleibt dafür eh zu wenig Zeit. Wir kochen auch gemeinsam. Noah ist ein großer Vorkoster. Und ein Salattiger! Ob wir uns aufeinander erst ein- oder umstellen müssen? Nein, Emanuel und ich sehen uns gerne häufig. Klar gönne ich mir auch ein paar Minuten alleine für mich, um in Bewegung zu bleiben. Ein paar Übungen am Tag, das geht sich aus.
Die berufliche Situation ist bestimmt momentan alles andere als entspannt, wir versuchen aber, optimistisch zu sein. Ich bin froh, ein bisschen vorgedacht zu haben und auf Erspartes zurückgreifen können."
(Protokoll von Thomas Rossacher)
Oliver Marach
Das steirische Tennis-Ass Oliver Marach schildert die aktuelle Lage in seiner Wahl-Heimat Panama.
"Wir waren am Dienstag noch am Strand und wollten tags darauf einen Ausflug in die Berge machen, haben das aber abgesagt, weil es laut Regierung auch bei uns möglicherweise demnächst zu einer Ausgangssperre kommt. Die Situation hier in Panama ist der in Europa ziemlich ähnlich – bei den Supermärkten gibt es Blockabfertigung und leider auch bereits einen ersten Toten. Trotzdem hofft man hier, dass die Schiffe in den großen Häfen bald wieder beladen und der Export aufgenommen werden kann.
Das Problem in Panama ist, dass die Bevölkerung arm ist, die Preise in Relation aber sehr hoch sind. Viele Menschen schlagen sich hier von einem Monat zum nächsten durch. Wenn sie dann plötzlich kein Geld mehr verdienen, können sie sich die Mieten nicht mehr leisten. Daher plant die Regierung, dass die Immobilienbesitzer mit den Mieten um 40 Prozent runtergehen sollen. Das betrifft auch mich, habe ich doch in den vergangenen Jahren in diesem Bereich viele Investments getätigt.
Obwohl die Saison nun erst frühestens am 7. Juni weitergeht, brauche ich mich über das Überleben meiner Familie noch nicht zu sorgen. Einfach ist die Situation natürlich nicht, aber man versucht eben, das Beste daraus zu machen."
(Protokoll von Alexander Tagger)
Gerald Pototschnig
Als Präsident des steirischen Radverbandes ist Gerald Pototschnig im Dauerdiskurs.
"Im Grunde ist es nur eine Frage. Die habe ich den vergangenen Tagen gefühlt 100.000 Mal gehört. Selbst bin ich seit zehn Tagen im Homeoffice und verlasse die Wohnung nur, wenn nötig. Abgeschottet. Doch die Verunsicherung Tausender Radfahrer dringt durch. 'Was darf ich mit meinem Fahrrad machen und was nicht?' Im Keller einsperren, ist mir einmal herausgerutscht, als ich aus dem Fenster sah. Zum Glück hört das hier niemand. Dabei ist es wahr: Aktuell gilt Respekt gegenüber den Mitmenschen und dem Gesundheitssystem zu zeigen. Immer wieder klingelt mein Telefon oder eine Videokonferenz ist angesetzt, mit der Holding oder dem Verband. Spannend, wie erreichbar man geworden ist, ständig. Arbeitskollegen, Funktionäre und Sportler sind es, die in die Stille der Wohnung eindringen. Noch ist sie nicht erdrückend, denn ich habe viel Arbeit und dennoch denke ich immer wieder an meinen Sohn, ein Polizist, und meine Gattin, die im LKH Graz West arbeitet. Sie helfen direkt und ich kann vom Schreibtisch aus versuchen, mit dem Verband Leute dazu zu bringen, zu Hause zu bleiben. Doch eine Stunde bleiben die Telefone still: Wenn meine Frau und ich gemeinsam zu Abend essen. Darauf freue ich mich den ganzen Tag."
(Protokoll von Georg Michl)