Herr Rektor Müller, wie wird im Krisenstab des Bundeskanzlers gearbeitet und wie ist die Stimmung im zehnköpfigen Team?

MARKUS MÜLLER: Es herrscht ein gutes Klima und es wird professionell gearbeitet. Wir arbeiten seit drei Wochen sehr intensiv zusammen und sind auch international auf höchsten Ebenen vernetzt. Gottseidank haben wir bereits zu einem frühen Zeitpunkt begonnen, uns informell zu vernetzen und einige Vorbereitungen im Stillen zu treffen. Deshalb konnten wir auch schon zeitnah beginnen, Maßnahmen zu setzen.

Wie ist Ihre aktuelle Lageeinschätzung für den Verlauf der Ansteckungen in Österreich?

Wir haben derzeit über 1000 Fälle von Infektionen und es geht steil nach oben. Es stehen uns verschiedene  mathematische Modellrechnungen zur Verfügung, mit denen wir die Entwicklung beobachten und sehen, wohin es sich entwickelt. Wir erwarten eine Verflachung der Zunahme der Ansteckungen in nächster Zeit. Wenn die Bevölkerung mit den getroffenen Maßnahmen mitmacht, wird sich jedenfalls ein Effekt zeigen.

In welchem Ausmaß?

Derzeit sehen wir eine Verdoppelung der Ansteckungen etwa alle zwei bis drei Tage, das sollten wir vorerst auf vier bis fünf Tage herunterbekommen. Die Kurve wird vorerst trotz der Maßnahmen weiter steigen, aber wir müssen uns bemühen, unter der Schwelle zu bleiben, welche die Verfügbarkeit der Intensivspitalsbetten markiert. Wir haben derzeit etwa 65.000 Spitalsbetten in Österreich, davon etwa 2500 Intensivbetten. Die Decke ist also nicht so hoch. Wir müssen unbedingt daran denken, dass wir ja auch die normale medizinische Versorgung von Unfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen, Geburten etc. aufrechterhalten müssen.

Woran orientieren Sie sich?

Singapur oder die Schweiz sind zum Beispiel internationale Benchmarks. Als von der ersten SARS-Epidemie betroffene Nation war Singapur sehr gut vorbereitet, hatte einen klaren Notfallplan, den sie de facto binnen weniger Stunden ausrollen konnten. Das bedrohliche Beispiel ist Italien, wo jetzt das gesamte Gesundheitswesen in einem erschreckenden Zustand ist.

Auf welche Grundsätze achtet der Krisenstab des Bundeskanzlers?

Es gab, in Kürze, folgenden Entscheidungspfad: Erstens: Sollen überhaupt Maßnahmen ergriffen werden, oder tut man nichts und lässt der Natur freien Lauf? Nichts tun war angesichts der internationalen Entwicklung undenkbar. Zweitens: Wann handelt man, früher oder später? Das ist in Österreich, im internationalen Verglich, relativ früh gelungen. Drittens: Die Frage der Dosis. Wie weitreichend sind die Maßnahmen? Da ist die Bundesregierung  sehr konsequent und liegt damit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der richtigen Seite. Das zeigt der Blick auf die anderen Länder, wie z.B. auch Schweiz, die sich in einer weiter fortgeschrittenen Situation befindet. In Italien liegt die Mortalitätsrate der Corona-infizierten Patienten bei bis zu fünf Prozent. Das liegt nicht mehr nur an der Infektion allein, sondern weil dort auch Ärzte und Krankenhauspersonal ausfallen und das gesamte Gesundheitssystem nicht mehr funktioniert. Die Menschen tun mir unendlich leid. Diese Zustände sind verheerend und die müssen wir bei uns verhindern, indem jeder bei den Maßnahmen mitmacht.

Haben Sie Ihre Familie ins heimatliche Gailtal in Sicherheit gebracht?

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Nein, wir sind in Wien und halten uns hier an die gebotenen Vorsichtsregeln.