Viele sind verunsichert wegen der negativen Nachrichten: Wie sollte man nun agieren?
Kerstin Jäger: Momentan wird man mit einer wahren Nachrichtenflut konfrontiert, aber das lässt sich nicht vermeiden. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, dass man genau selektiert, welche Nachrichten qualitative Informationen beinhalten. Man sollte sich Quellen suchen, die gute Informationen liefern. Prinzipiell ist aber ausreichend Information auch wichtig, weil es nicht der richtige Zugang ist, sich diesem Thema ganz zu verweigern. Wichtig ist, zu wissen, wie die aktuelle Lage ist und wie man sich und andere schützen kann.
Wie sollte man mit sozialen Medien umgehen, über die ja auch viele Halbwahrheiten verbreitet werden?
Sehr selektiv. Was aber grundsätzlich für den Umgang mit sozialen Medien gilt: Man sollte außerdem nur mit Menschen in Kontakt treten, die einem guttun und die einen aufbauen. Man kann Freundschaften pflegen. Wenn man sich aber permanent mit Menschen vergleicht, denen es scheinbar gerade besser geht als einem selbst und die nur die Sonnenseiten ihres Lebens präsentieren, verstärkt das die Verzweiflung und das Gefühl, inaktiv und passiv zu sein.
Was raten Sie Menschen, die auf ein Testergebnis warten?
In dieser Situation sollte man sich auch so gut wie möglich ablenken und im Moment leben. Man sollte sich auf keinen Fall Was-wäre-wenn-Gedanken hingeben. Auch in diesem Zusammenhang ist es ganz wichtig, die Angst zu hinterfragen und einer Realitätsprüfung zu unterziehen. Was passiert, wenn ich ein positives Testergebnis habe? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das für mich wirklich ernsthaft bedrohlich wird? Also Ablenkung einerseits, aber auch hinzuschauen, wie hoch ist das Risiko für mich tatsächlich. Wir wissen ja, dass ältere Menschen gefährdet sind und Menschen im mittleren Alter nicht so ein hohes Risiko und oft einen sehr milden Verlauf haben. Also, was passiert wirklich, wenn ich infiziert bin? Die medizinische Versorgung wird gut sein, sehr wahrscheinlich wird der Verlauf mild sein.
Welche Auswirkungen kann die Quarantäne auf die Psyche haben?
Wenn man 14 Tage zu Hause bleiben muss, hat das durchaus Auswirkungen auf die Psyche. Vor allem dann, wenn man das Gefühl hat, komplett fremdbestimmt zu sein.
Wie kann das Umfeld helfen?
Als Angehöriger sollte man vermitteln, dass diese Quarantäne eine sehr gute Tat ist und dass man das zum Allgemeinwohl macht. Das bedeutet: Es ist ein Beitrag dazu, diese Krankheit einzudämmen. Es geht darum, den Menschen den Sinn dahinter zu vermitteln. Das hilft, die psychische Belastung einzuschränken. Man ist damit kein Opfer, sondern bekommt die Eigenverantwortung zurück. Natürlich ist die Angst vor Stigmatisierung groß. Deswegen sollte man einander beistehen, kleine Aufmerksamkeiten schicken oder vor die Tür stellen. Besorgungen erledigen sowie finanzielle und existenzielle Sorgen abnehmen. Einfach zeigen: Wir sind für dich da, wir telefonieren, schreiben, schicken Fotos und dann ist die Zeit auch irgendwann vorbei. Und dann holen wir alles nach, was wir absagen mussten.
Sie arbeiten ja auch für eine Plattform, die Menschen online psychologische Hilfe zur Verfügung stellt. Haben Sie schon Anfragen bekommen, die auf Corona zurückzuführen sind?
Corona ist bei vielen meiner Klienten, die ich betreue, ein großes Thema. Vor allem auch, weil ich sehr viele Angstpatienten habe. In diesen Fällen geht es in erster Linie darum, mit den Betroffenen Strategien zu erarbeiten, wie sie mit der Angst umgehen und diese reduzieren können.