Die Regierung hat am Dienstag im Kampf gegen das Coronavirus drastische, unpopuläre Maßnahmen beschlossen, die das öffentliche Leben in Österreich in den kommenden Wochen massiv beeinträchtigen werden. Bis 3. April werden größere Veranstaltungen inklusive Demos verboten. Es gibt einen Einreisestopp aus Italien, nur Österreicher sollen zurückgeholt werden. Unis schließen ebenfalls.

"Wir sind uns einig, dass die Corona-Krise eine sehr ernst zu nehmende ist und wir alles unternehmen müssen, um eine weitere Ausbreitung des Virus bestmöglich hinauszuzögern und die Anzahl der Infektionen zu reduzieren", teilte Kanzler Sebastian Kurz nach dem Video-Gipfel der EU mit.

Dazu sollen die Gesundheits- bzw. Innenminister der EU ab sofort tägliche Telefonkonferenzen abhalten, um Informationen und beste Praktiken auszutauschen. Darüber hinaus gebe es ein Verständnis innerhalb der EU, dass in der jetzigen Phase nationale Vorkehrungen getroffen werden müssen, um weitere Ansteckungen einzudämmen und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaften zu erhöhen, erklärte Kurz. Bei der Videokonferenz mit den EU-Regierungschefs habe er die Maßnahmen Österreichs im Detail erklärt.

Die aktuellsten Entwicklungen: Direktoren sollen sich auf Schulschließungen vorbereiten. Das Bildungsministerium hat die Schuldirektoren ersucht, sich aufgrund des Coronavirus auf Schulschließungen präventiv vorzubereiten. In einem der APA vorliegenden Schreiben an Schulleiter wird außerdem empfohlen, dass Ausflüge, Reisen und Schulveranstaltungen ab sofort bis auf Weiteres ausgesetzt werden. Derzeit sei der bundesweite Schulbetrieb von einer flächendeckenden Schließung wie an den Hochschulen nicht betroffen, heißt es in dem Schreiben. Das derzeitige Procedere mit anlassbezogenen Schulsperren habe sich bewährt. "Wir alle hoffen, dass es zu weiteren Einschränkungen nicht kommen wird. Dennoch ist mein Ersuchen an Sie, dass wir in enger Abstimmung bleiben und uns auf Schulschließungen gemeinsam vorbereiten", heißt es in dem von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) gezeichneten Dokument.

Pressekonferenz

"Heute ist es so weit", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Vormittag bei einer Pressekonferenz in Wien. Nun sei der Tag gekommen, an dem Einschränkungen im öffentlichen Leben notwendig werden, kündigte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudi Anschober und Innenminister Karl Nehammer die Maßnahmen der Regierung an. Die Zahl der Infizierten in Österreich sei zwar vergleichsweise gering, die Zuwachsraten machten ein Handeln aber notwendig, so Kurz.

1. Einreisestopp aus Italien

Die Maßnahmen der Regierung gliedern sich in drei Bereiche. Erstens solle die Einschleppung aus Italien verhindert werden, sagte Kurz. Daher gelte ab sofort ein Einreisestopp, die Grenzen werden dicht gemacht. Einreisen dürfen nur Menschen mit einem ärztlichen Attest, sagte Kurz. Auch die Durchreise ist möglich, allerdings nur, wenn in Österreich keine Pausen gemacht werden. Die Heimholung von in Italien befindlichen Österreichern werde derzeit organisiert, danach gelte für diese Personen zwei Wochen lang häusliche Isolation.

2. Keine Großveranstaltungen, Unis geschlossen

Weiters müsse die Verbreitung in Österreich eingedämmt werden, kündigte die Regierung am Dienstag an. Das bedeute unter anderem Einschränkungen bei Veranstaltungen. Ab Mittwoch werden per Erlass alle Outdoor-Veranstaltungen über 500 Teilnehmer bis Anfang April abgesagt, ebenso alle Indoor-Veranstaltungen über 100 Teilnehmer. Ab Montag nächster Woche soll es an Universitäten und Fachhochschulen keine Lehrveranstaltungen mehr geben, teilte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) mit. Die Stadthalle hat bereits alle Veranstaltungen bis Anfang April abgesagt.

3. Tele-Working und Reduktion sozialer Kontakte

Drittens appellierte Kurz eindringlich an die gesamte Bevölkerung. "Jeder kann einen Beitrag leisten", sagte er vor der versammelten Presse. Durch die Reduktion sozialer Kontakte könnten auch junge Menschen dafür sorgen, dass Ältere geschützt werden. "Wir können nicht verhindern, dass sich das Coronavirus in Europa verbreitet", merkte Kurz an. Die Verbreitung müsste aber eingedämmt, der Peak bis nach der Grippewelle verzögert werden. Wer soziale Kontakte in den kommenden Wochen reduziert, könne jetzt einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten, so Kurz. Unternehmen ersuchte der Kanzler, ihren Mitarbeitern so weit wie möglich Teleworking zu genehmigen.

Anschober betonte die Dringlichkeit der Maßnahmen am Dienstag. "Wir können dieses Land nicht unter einen Glassturz stellen", sagte er. Wichtig wäre es allerdings, Zeit zu gewinnen. Die Regierung sei bemüht, das Richtige zu tun und nun sei der "richtige Zeitpunkt für durchaus einschneidende Maßnahmen" gekommen, so Anschober.

4. Opern, Popkonzerte, Kinos werden geschlossen

Bei Veranstaltern ortet der Minister eine große Bereitschaft, auf Events zu verzichten. Der Erlass werde präzise formuliert, damit für jeden klar ist, was gemeint ist. Theater, Kinos, Konzerte werden aber davon betroffen sein.Restaurants zu schließen, sei derzeit nicht angedacht. Sportveranstaltungen könnten aber etwa ohne Zuschauer stattfinden. Die gesetzlichen Vorgaben der Regierung nun umzusetzen, liege nun bei den Veranstaltern, so Kurz, der auch an den Hausverstand appellierte. "Es ist ein Straftatbestand nicht daran mitzuwirken, dass sich eine Epidemie ausbreitet", ergänzte Innenminister Nehammer.

Dass die Maßnahmen der Regierung durchaus große Auswirkungen auf das Leben in Österreich haben werden, ist den Politikern bewusst. "Wir müssen unser Leben für ein paar Monate verändern", sagte Anschober. Jeder Einzelne müsse in der kommenden Wochen überlegen, wie man das Risiko einer Verbreitung des Coronavirus minimieren könne. Die Regierung setze zwar die richtigen Maßnahmen, die Bürger müssten aber mithelfen, so Anschober und ergänzte: "Wir brauchen Zusammenhalt, aber wir brauchen auch eine gewisse Distanz." Aufpassen müsse man besonders auf die besonders Schutzbedürftigen, also Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen.

5. Keine Züge und Flüge aus Italien

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte am Dienstag an, es gebe ab sofort keine Züge und keine Flüge mehr aus Italien nach Österreich. Eine Durchreise ohne Zwischenstopp sei erlaubt, auch der Güterverkehr laufe weiter, allerdings mit Gesundheitschecks an der Grenze. Österreicher, die aus Italien zurückkehren, müssen zwei Wochen lang in Isolation. Die Einhaltung dieser werde auch stichprobenartig kontrolliert, gaben die Regierungsvertreter bekannt.

6. Schulen und Kindergärten bleiben offen - vorerst

Eine Maßnahme ist auch die Schließung von Schulen. Hauptüberträgergruppe seien Menschen zwischen 14 und 30 Jahren, daher sollen in einem ersten Schritt in dieser Gruppe soziale Kontakte reduziert werden. "Es wird auch zu Maßnahmen an Schulen kommen", sagte Kurz.

7. Zugang zu Spitälern, Alten- und Pflegeheime gedrosselt

Wiens Stadtrat Peter Hacker kündigte heute an, dass die Stadt den Zugang zu den Spitälern reduzieren wolle, um Kranke zu schützen. Konkret soll Studenten, die im Zuge ihre Medizinausbildung in Krankenhäusern arbeiten, der Zugang verwehrt werden. Auch wird die Empfehlung ausgesprochen, Alten - und Pflegeheime zu meiden.

In Deutschland hat sich Gesundheitsminister Jens Spahn gegen die Abhaltung von Großveranstaltungen mit über 1000 Personen ausgesprochen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. In Österreich pflichtet ihm gestern Pamela Rendi-Wagner bei: "Das wäre notwendig und sinnvoll", meinte die SPÖ-Chefin dazu.

8. Vorerst keine Einschränkungen im Justizbetrieb

Was Gerichtsverhandlungen betrifft, ist derzeit mit keinen Einschränkungen zu rechnen. "Der Justizbetrieb geht vorerst weiter", teilte Christina Ratz, Ressortmediensprecherin im Justizministerium. Die Absage oder Verlegung von Hauptverhandlungen ist damit vorerst kein Thema. Allerdings hat die Generaldirektion für den Strafvollzug nunmehr allgemeingültige Präventivmaßnahmen vorgegeben, die in jeder Justizanstalt je nach den gegebenen Umständen und Räumlichkeiten umzusetzen sind. Damit soll ein Einschleppen von SARS-CoV-2 verhindert werden.

Bei Häftlingsbesuchen ist grundsätzlich ein direkter Kontakt zu den Insassen zu vermeiden. Sogenannte Tischbesuche wurden gestrichen. Besucher - das bezieht sich vor allem auf Angehörige - sind grundsätzlich durch eine Glasscheibe von Häftlingen zu trennen. In Justizanstalten, wo das räumlich nicht möglich ist, wird das Ansteckungsrisiko insoweit minimiert, als pro Besuchskontakt nur mehr eine Person zugelassen ist. Bei Besuchen, die nicht "hinter Glas" stattfinden, haben außerdem entweder der Besucher oder der Insasse eine Schutzmaske zu tragen. Bei Vorführungen zu Gerichtsverhandlungen entscheidet die jeweilige Justizanstalt, ob sich der Insasse eine Schutzmaske aufsetzen muss.