Nach mehreren starken Erdbeben in Afghanistan sind nach Einschätzung der Regierung mindestens 2050 Menschen ums Leben gekommen. Das sagte ein Sprecher der regierenden, radikal-islamischen Taliban am Sonntag. Mehr als 9240 Personen seien laut offizieller Zählung bisher verletzt worden. Es wird aber mit noch deutlich höheren Opferzahlen gerechnet.

Sieben Dörfer stark betroffen

Zuletzt war von mindestens 100 Erdbebentoten die Rede gewesen. Das UNO-Nothilfebüro OCHA ging da schon davon aus, dass die Zahl der Opfer noch steigen wird, da zahlreiche Menschen unter eingestürzten Gebäuden eingeschlossen wurden. Auch Afghanistans Katastrophenschutz hatte Sorgen über Hunderte mögliche Todesopfer geäußert.

Unterdessen ging die verzweifelte Suche nach Überlebenden weiter. Weit über zehntausend Bewohner der am stärksten betroffenen Provinz, die im Norden auch an Turkmenistan grenzt, könnten bei den Beben verletzt worden sein. Die Sorge ist groß, dass die Opferzahl in den kommenden Tagen noch weiter steigen wird.

"Es war unerträglich. Wir sahen fünf, sechs Dörfer. Sie sind dem Erdboden gleich", erzählte etwa Mohammed Rafik Schirsai per Sprachnachricht. Der erfahrene Mediziner ist Teil eines Rettungsteams in Westafghanistan. "Man kann den Unterschied zwischen einem Haus und einer Straße nicht mehr sehen", erzählt Schirsai weiter. "Unter jedem Stück Erde könnte ein Mensch sein, der sein Leben verloren hat und den niemand mehr retten kann. Leider waren wir nicht mehr in der Lage zu helfen", beschreibt der Arzt die bedrückenden Szenen. Videos in den sozialen Medien zeigten Rettungskräfte mit Bulldozern vor Ort und Helfer, die teils nur mit ihren Händen nach Vermissten gruben.

Trümmer seien auf viele Menschen gestürzt und hätten ihnen das Atmen unmöglich gemacht. "Die Zahl der Todesopfer ist viel höher als das, was Sie gehört haben. In einem Dorf zum Beispiel, in dem tausend Menschen lebten, heißt es jetzt, dass nur noch 20 Menschen am Leben sind. Sie verstehen das Ausmaß der Katastrophe", so Schirsai.

13 Dörfer in der stark betroffenen Grenzprovinz Herat sind Behördenangaben zufolge komplett zerstört worden. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren von der Erdbeben-Katastrophe insgesamt rund 4200 Menschen betroffen, mindestens 600 Häuser wurden zerstört. Alleine in das größte Krankenhaus der Provinzhauptstadt Herat seien gut 200 Tote und rund 700 Verletzte gebracht worden, hieß es aus medizinischen Kreisen.

UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bestürzt und sprach den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid aus, wie UNO-Sprecher Stephane Dujarric in New York erklärte. Guterres rief die internationale Gemeinschaft auf, die vom Erdbeben betroffene afghanische Bevölkerung vor allem mit Blick auf den kommenden Winter zu unterstützen.

Der gut vernetzte afghanische Journalist Bilal Sarwari teilte auf der Plattform X, ehemals Twitter, Videos von den Rettungsarbeiten. Die Bilder zeigten Häuser, die komplett in Trümmern lagen. "Die ruhige Schönheit von Herat wurde durch ein unbarmherziges Erdbeben zerstört, das ganze Dörfer in Schutt und Asche gelegt hat", schrieb Sarwari.

Am Samstagmorgen hatten mindestens acht Beben innerhalb kurzer Zeit die Grenzregion nahe dem Iran erschüttert. Die US-Erdbebenwarte USGS bezifferte die Stärke auf Werte zwischen 4,6 und 6,3. Die Erdstöße ereigneten sich nordwestlich der afghanischen Grenzstadt Herat, in einer geringen Tiefe von rund zehn Kilometern.

Auch im Nachbarland Iran waren die Beben zu spüren. Bewohner der rund 300 Kilometer von der Erdbebenzone entfernten Millionenmetropole Maschhad im Iran erzählten, dass Häuserwände gezittert hätten. Auch dort setzten die Behörden Rettungsdienste in Alarmbereitschaft und schickten Teams an die Grenze, um mögliche Schäden zu untersuchen.