Hunderte tätowierte Männer nur mit einer kurzen weißen Hose bekleidet, sitzen in Reihen dicht an dicht in einem Hof. Mit den Händen über dem Kopf und den Blick nach unten gerichtet, können sie nur aus dem Augenwinkel sehen, wie ständig neue Menschen dazustoßen. Während sie leicht gebeugt laufen, verschränken sie die Arme auf dem Rücken. Angetrieben werden sie dabei von schwarz maskierten Männern mit Schildern und dem Schlagstock im Anschlag.
Untergebracht sind die Männer in einem neuen Mega-Gefängnis nahe der Stadt Tecoluca im mittelamerikanischen El Salvador. Das "Terrorismus-Abriegelungs-Zentrum" (CECOT) bietet Platz für bis zu 40.000 Häftlinge – und sein Quasi-Erfinder, El Salvadors Präsident, Nayib Bukele, sieht es knapp sechs Monate nach seiner Eröffnung als Erfolgsmodell im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. "Für einige von Ihnen scheint es normal und alltäglich, dass Kinder im Park spielen, ohne von Gangs rekrutiert oder ermordet zu werden. Aber bei uns war das nicht der Fall", sagte Bukele diese Woche vor der UN-Vollversammlung.
Standort des Mega-Gefängnisses CECOT in Tecoluca
Gefährlichstes Land der Welt
El Salvador galt lange als das gefährlichste Land der Welt. Im knapp sechs Millionen Einwohner zählenden Pazifik-Staat wurden 2015 bis zu 100 Tötungsdelikte pro Tag gezählt. Zum Vergleich: In Österreich liegt der Wert bei um die 40 Personen jährlich.
Verantwortlich für die hohe Anzahl an Mordopfern sind großteils Straßengangs, die ihren Ursprung in den USA haben. Salvadorianische Immigranten hatten dort in den 1960er-Jahren Banden nach amerikanischem Vorbild gegründet. Hieraus entstanden später als größte Gruppen die Mara Salvatrucha und "18". Nachdem die USA anfingen, Bandenmitglieder zu inhaftieren und in ihre Herkunftsländer abzuschieben, stand El Salvador plötzlich vor einem unerwarteten Problem. Die Kriminellen übernahmen rasch die Straßen und entwickelten sich zu einem Staat im Staat. Streitigkeiten endeten oft tödlich, mangelnde Perspektiven für junge Menschen und Armut sorgten für steten Nachschub an "Personal".
"Sicherstes Land Lateinamerikas"
Der Staat schien im Kampf gegen die organisierte Kriminalität auf verlorenem Posten zu stehen. Doch mittlerweile hat der 2019 mit nur 37 Jahren ins Amt gewählte Bukele mit der Ausrufung des Ausnahmezustands und neuer Gesetze für andere Verhältnisse gesorgt. El Salvador habe sich "vom gefährlichsten Land der Welt, zum sichersten Lateinamerikas gewandelt", sagt Bukele.
Wie ernst es die Regierung meint, zeigt auch ein Blick auf die Zahlen. In einem Interview mit dem Nachrichtenportal "Bloomberg" gab Justizminister Gustavo Villatoro zuletzt an, dass seit März 2022 über 72.600 Personen verhaftet worden seien. Damit befinden sich mit über 100.000 Menschen, etwa 1,6 Prozent der Einwohner in Haft.
Die Bevölkerung El Salvadors dankt es Bukele mit Zuspruchraten von bis zu 90 Prozent. Ausländische Regierungen und Menschrechtsorganisationen sind allerdings entsetzt und sprechen von menschenunwürdigen Zuständen. So hat die Bukele-Regierung die Qualität der Gefängnisverpflegung auf das zum Überleben notwendige Minimum reduziert, aber auch jede Art von Privileg abgeschafft. Im CECOT gibt es weder Matratzen noch Decken, die Häftlinge besitzen nichts. Auch keine Aussicht auf Entlassung. Die Regierung spricht davon, die "Terroristen" niemals wieder auf die Straßen zu lassen.
Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer unschuldig Inhaftierter, die in Haft Folter und Mord fürchten müssen. Die Menschenrechtsorganisation "Cristosal" zählte im Mai, ein knappes Jahr nach Inkrafttreten des Ausnahmezustands, mindestens 139 tote Vollzugsinsassen.
"Coolster Diktator der Welt" auf unbeirrbarem Weg
Bukele, der sich selbst einmal als "den coolsten Diktator der Welt" beschrieb, betonte bei seiner UN-Rede hingegen, dass man in El Salvador einen Weg gefunden habe, die Probleme des Landes zu lösen. Einen eigenen Weg, von dem man sich von Außenstehenden nicht abbringen lassen werde.
Dieser Weg ist bisher jedoch vor allem intransparent. Nicht nur, dass durch den von Bukele verhängten Ausnahmezustand in Demokratien selbstverständliche Dinge wie Haftbefehle und das Recht auf anwaltlichen Beistand nicht mehr gelten. Auch die Zahlen selbst sind kaum überprüfbar. Ob die Mordrate tatsächlich nun bei nur noch 0,4 Tötungsdelikten pro Tag liegt, dürften nur jene wissen, die die Statistik erhoben haben. In diesem Fall die Nationalpolizei.