Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat dem UNO-Sicherheitsrat am Mittwoch (Ortszeit) in New York "Handlungsunfähigkeit" vorgeworfen. Dies habe "einmal mehr der unprovozierte Einmarsch Russlands in die Ukraine" gezeigt, so Schallenberg laut Redetext bei einer Debatte des UNO-Gremiums zum russischen Angriffskrieg. "Die Zeit, in der fünf Staaten die Macht hatten, für uns alle zu entscheiden, ist längst vorbei", hieß es darin. "Die Zeit für Reformen ist gekommen."
"Lassen Sie uns nicht um den heißen Brei herumreden", forderte Schallenberg dem Skript zufolge bei dem Treffen, das unter einem etwas sperrigen Titel, nämlich "Hochrangige offene Debatte im Sicherheitsrat zum Thema 'Wahrung der Ziele und Grundsätze der UN-Charta durch wirksamen Multilateralismus: Erhaltung des Friedens und der Sicherheit in der Ukraine'", angekündigt worden war. "Es ist höchste Zeit, dass wir die offensichtlichen strukturellen Probleme angehen. Indem wir den Rat repräsentativer machen, auch durch die Aufnahme afrikanischer Länder, und indem wir endlich eine ehrliche Diskussion über die Abschaffung des Vetorechts führen."
Reform des Sicherheitsrats gefordert
Schallenberg hatte bereits am Dienstag am Rand der UNO-Generaldebatte gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen für eine Reform des Sicherheitsrats geworben. Anlässlich eines Treffens mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, im Rahmen der 78. Generalversammlung waren sich Van der Bellen und Schallenberg einig: Die aktuelle Struktur sei ein Ergebnis des Zweiten Weltkriegs und nicht mehr zeitgemäß.
Auch Guterres wirbt schon länger für eine Neugestaltung des Gremiums. Aktuell hat der UNO-Sicherheitsrat fünf ständige Mitglieder (China, Frankreich, Russland, USA und Großbritannien), die jeweils Beschlüsse per Veto blockieren können. Zehn weitere Mitglieder werden für je zwei Jahre in das Gremium gewählt. Jährlich werden fünf der nichtständigen Mitglieder neu bestimmt.
Zum russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar 2022 erklärte Schallenberg vor dem UNO-Sicherheitsrat: "Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Ja, dies ist ein Krieg in Europa, aber es ist kein europäischer Krieg." Es handle sich um einen "Angriff auf die auf Regeln basierende internationale Ordnung" sowie um einen "eklatanten und vorsätzlichen Verstoß gegen die Gründungscharta unserer Vereinten Nationen."
In dieser Charta habe sich "jeder einzelne Staat in diesem Saal" verpflichtet, "internationale Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen" und "von der Androhung von Gewaltanwendung abzusehen", resümierte der Außenminister. Daher sei es umso schlimmer, dass dieser Bruch "nicht von irgendeinem Staat begangen" worden sei, "sondern von einem ständigen Mitglied des Sicherheitsrats."
"Dieser Angriffskrieg hat zu unvorstellbarer Zerstörung und Verzweiflung geführt", erklärte Schallenberg weiter. Die "gezielten Angriffen auf Zivilisten sowie barbarische Kriegsverbrechen, unverantwortlichen nukleare Drohungen und der zynische Einsatz von Hunger und Energie als Waffe", müssten beendet werden. "Es ist an der Zeit, damit aufzuhören! Russland muss seine Streitkräfte aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine, einschließlich der Krim und der Stadt Sewastopol, abziehen!"
Menschen in Ukraine haben Frieden verdient
Österreich sei zwar "militärisch neutral", erinnerte der ÖVP-Minister. "Aber wir sind niemals gleichgültig oder neutral, wenn es um Verletzungen des Völkerrechts geht." Die Menschen in der Ukraine hätten einen gerechten und dauerhaften Frieden verdient. Daher werde Österreich "jede Initiative unterstützen, die zu diesem Ziel führt".
Außenminister Schallenberg war am Mittwoch auch bei der Unterzeichnung eines internationalen Hochseeschutzübereinkommens dabei und absolvierte mehrere bilaterale Gespräche. So kam er mit den Außenministerinnen Mosambiks, Verónica Macamo Dihovo, und des Senegals, Aïssata Tall Sall, sowie mit seinem Amtskollegen aus Mauretanien, Mohamed Salem Ouid Merzoug, zusammen. Weiters gab es einen Meinungsaustausch mit der Präsidentin des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK), der Schweizerin Mirjana Spolaric Egger.