Nachdem vor allem der Fukushima-Unfall 2011 die Atomenergie erneut unter Druck gebracht hat, sehen angesichts des virulenter werdenden Klimawandels manche Akteure diese nun wieder vor einem Comeback. Eine wichtige Rolle sollen "Small Modular Reactors" (SMRs) spielen. Sie werden aber eher nicht zum Gamechanger", meinte Risikoforscher Nikolaus Müllner im Vorfeld des "14. Wiener Nuklearsymposiums" (22.9.) im Gespräch mit der APA. Zu der neuen Technologie gibt es einige Fragen.
In SMRs sehen manche die Zukunft der Atomwirtschaft. Eine exakte Definition dafür gibt es bisher nicht, gemeint sind meistens neue AKW-Konzepte mit Leistungen von weniger als 300 bis 400 Megawatt elektrisch (MWe). Das ist jedoch vergleichsweise gar nicht so wenig: So kommt etwa der Reaktor 3 im tschechischen AKW Dukovany auf rund 500 MWe.
Nuklearsymposium
Im Rahmen des alljährlichen Wiener Nuklearsymposiums war die Idee der Klimarettung durch eine Forcierung der Atomkraft immer wieder Thema, erklärte Müllner. In der Vergangenheit analysierten die Wissenschafter aber vor allem den Einfluss von großen Anlagen um die 1.000 MWe - "also die Generation-3+-Anlagen, die momentan gebaut werden. Hier ist unsere Einschätzung, dass diese und bestehende Anlagen einen Beitrag leisten, dieser allerdings relativ limitiert ist", so der Forscher vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Das liegt auch daran, dass es sehr lange dauert, bis neue AKWs genehmigt, gebaut und ans Netz gehen können.
Seit einiger Zeit treiben daher mehrere Akteure die SMRs voran. Durch ihren Aufbau mit vorgefertigten Modulen versprechen sich Proponenten schnellere Errichtungs- und Genehmigungszeiten. Zwischen der Vorstellungen der Entwicklerunternehmen, zu denen auch manche Start-ups mit wenig Erfahrung in dem Feld zählen, und den Aufsichtsbehörden gebe es aber durchaus "Widersprüche", so der Forscher, der auf dem Symposium u.a. zum Thema "Kernkraft und Klima" sprechen wird. Ob die SMRs zu "Gamechangern" für die Atomwirtschaft werden können, wird derzeit in der Wissenschaft intensiv diskutiert.
Fehler in den Plänen
Einerseits würden hier neue Firmen mit Konzepten in die Öffentlichkeit drängen, die gewissermaßen an Kinderkrankheiten und Fehlern in den Plänen leiden. So gab es auch schon gestoppte Genehmigungsverfahren zu SMR-Designs. Damit schrumpfe die Anzahl der ernst zunehmenden Konzepte bereits. Bei Projekten von etablierten Firmen aus den USA oder Frankreich sei offen, ob Bewilligung und Errichtung tatsächlich schneller gehen werden. Immerhin handelt es sich noch um "ganz neue Designs". Hier könne durchaus auch "Druck" auf die Genehmigungsbehörden ausgeübt oder sinnvolle Vorgaben vor dem Hintergrund des drängenden Klimawandels und der schwieriger werdenden Energiesituation ein Stück weit verwässert werden, befürchten Forscher vor allem außerhalb Europas und den USA. "Es ist also noch nicht ganz abzusehen, ob sich die Versprechen rund um SMRs bewahrheiten werden - momentan schaut es aber eher nicht so aus", betonte Müllner.
Durch die Small Modular Reactors könne jedoch durchaus neue Dynamik in Kernkraft-Diskussionen kommen, wenn es darum geht, wie viel Risiko man beim notwendigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern nehmen will. Eine neue Debatte könnten die SMRs auch nach Österreich tragen. Denn hierzulande wird sich die Suche nach Alternativen ebenso intensivieren: "Österreich hat aber weiter sehr wenige Kernkraft-Befürworter. Daher wird es eher ein Randthema bleiben", glaubt Müllner. Noch dazu wäre man ein "komplettes nukleares Newcomer-Land" ohne entsprechenden Rechtsrahmen und Erfahrung. Selbst wenn SMRs nachgewiesen gut funktionieren - was offen ist - würde so eine Anlage eher 30-40 Jahre brauchen, um hierzulande ans Netz zu gehen, und wäre daher "keine Lösung".
Erschwerte Kühlung
Beim Blick auf den Klimawandel gibt es aber auch abseits von SMRs einiges zu bedenken. Im vergangenen Jahr haben etwa niedrige Flusspegelstände und hohe Wassertemperaturen die Kühlung einiger Kraftwerke in Frankreich erschwert und deren Abschaltung erzwungen. Grundsätzlich sind die Anlagen auf Extremereignisse ausgelegt, wie sie etwa rein statistisch alle 100, 1.000 oder 10.000 Jahre auftreten. Diese Statistiken stimmen aber nun vielfach nicht mehr, wenn etwa extreme Starkregenereignisse, Stürme oder Dürren deutlich häufiger bzw. noch stärker werden. Hier würden nun vielerorts neue Überlegungen angestellt, AKWs möglichst nachgerüstet und Stresstests überarbeitet, erklärte Müllner.
Nicht zuletzt haben auch die wiederkehrenden Kämpfe rund um ukrainische AKWs gezeigt, dass dieser Aspekt der Sicherheit bisher "tatsächlich ein blinder Fleck" gewesen ist. Konkrete Pläne, kriegerische Handlungen im Design neuer und bei der Überarbeitung bestehender Anlagen zu berücksichtigen, gibt es allerdings noch nicht: "Das ist eine Diskussion, die eigentlich noch geführt werden muss."