Es begann Mitte Juli auf der Insel Paros: Hunderte Inselbewohner, darunter ganze Familien mit Kind und Kegel, zogen zum Strand Santa Maria. Viele schwenkten Handtücher, andere hielten Plakate hoch: "Freie Strände für alle" und "Holt euch die Strände zurück" war darauf zu lesen. Mit Sprechchören verschafften sich die Demonstranten Gehör.
Von Paros hat sich "Handtuchbewegung" wie ein Lauffeuer ausgebreitet. Von Rhodos im Süden bis zur Halbinsel Chalkidike im Norden, von Korfu und Kefalonia im Ionischen Meer bis nach Mykonos und Santorin machen die Menschen fast täglich mit Protestaktionen ihrem Ärger Luft. Denn fast überall sieht es aus wie auf Paros: Unternehmer stellen die Strände von einem Ende zum anderen mit Liegen und Sonnenschirmen voll, auch wenn sie nur den halben Strand gepachtet haben. Sie bauen illegale Beachbars, aus deren Lautsprechern bis spät in die Nacht hinein die Musik dröhnt. Ihr Mobiliar vermieten sie zu Wucherpreisen: 100 Euro und mehr für vier Liegen. Reiche Touristen mögen das bezahlen, aber eine griechische Durchschnittsfamilie kann sich solche Ausgaben für einen Tag am Strand nicht leisten. Wer sein eigenes Handtuch auf dem Sand ausbreiten möchte, findet vielerorts keinen Platz – oder wird sogar von den Strandunternehmern vertrieben.
Erste Festnahmen nach Kontrollen
Jahrelang sah die Polizei der Willkür und dem Preiswucher der Strandmafia untätig zu. Denn viele von ihnen sind mit Kommunalpolitikern oder örtlichen Abgeordneten verbandelt. Eine Hand wäscht die andere. Aber unter dem wachsenden Druck der "Handtuchbewegung", die inzwischen auch im Ausland ein breites Medienecho findet, will die Regierung jetzt endlich durchgreifen. Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Chatzidakis kündigte "unmittelbare Kontrollen" an und versicherte: "Wir werden keinen schonen, der die Gesetze missachtet." In den vergangenen Wochen habe man 918 Strandunternehmer überprüft und dabei 336 Verstöße festgestellt, teilte das Ministerium mit. Allein zwischen dem 4. und dem 6. August wurden bei Kontrollen auf sieben Inseln 16 Personen festgenommen. So wurde auf Mykonos ein Gastwirt in Gewahrsam genommen, der 300 Quadratmeter Strand ohne Genehmigung bewirtschaftete.
Laut Gesetz dürfen höchstens 50 Prozent der Strandfläche kommerziell genutzt werden, sofern der Unternehmer einen Pachtvertrag mit dem staatlichen Liegenschaftsamt abgeschlossen hat. Zudem muss ein Mindestabstand der Liegen von fünf Metern zum Wasser eingehalten werden. Die wenigsten halten sich aber daran. Eilig bauen jetzt viele Unternehmer ihre ohne Genehmigung aufgestellten Sonnenschirme und Liegen ab und reißen illegal errichtete Beachbars ab, um Kontrolleuren zuvorzukommen.
Konservative Regierung hatte Regeln gelockert
Das Thema sorgt inzwischen auch für Streit auf der politischen Bühne: Die linke Oppositionspartei Syriza wirft der konservativen Regierung vor, dass sie an den Missständen Mitschuld trägt. Denn 2020 änderte die Regierung eine im Jahr zuvor von der Syriza-Vorgängerregierung eingeführte Regelung, wonach maximal 40 Prozent der Strandfläche kommerziell bewirtschaftet werden dürfen. Das erhöhten die Konservativen auf 50 Prozent. Früher galt, dass bei Verstößen der betroffene Unternehmer für die nächsten fünf Jahre keine Konzession mehr bekommen kann. Das verkürzten die Konservativen auf ein Jahr. Jetzt will Wirtschaftsminister Chatzidakis die Gesetze überarbeiten.
Aber die Strandmafia kapituliert nicht so schnell. Beispiel: Naxos. Dort hatten die Unternehmer in Erwartung der Kontrollen eiligst Hunderte Liegen und Sonnenschirme abgebaut. Kaum verließen die Kontrolleure die Insel wieder, wurden die nicht genehmigten Strandmöbel am frühen Morgen wieder aufgestellt, wie die Bürgerbewegung "Rettet die Stände von Naxos" auf ihrer Internetseite mit Stolz dokumentiert.