Die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Meere liegt in diesem Jahr schon seit Mitte März auf Rekordniveau: Nach Daten der Plattform "Climate Reanalyzer" ist jeder einzelne Tag bisher der wärmste für sein jeweiliges Datum gewesen – seit Messbeginn 1982, und zwar meist mit Abstand. Anfang August betrug die Temperatur rund 21 Grad und damit rund 0,8 Grad mehr als im Mittel der Jahre 1982 bis 2011 zu der Jahreszeit.
Hohe Wassertemperaturen belastet die Meere
"Grund ist die menschengemachte Erderwärmung", sagte Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. "Über 90 Prozent der Wärme, die durch die menschengemachten Treibhausgase entsteht, speichern die Ozeane." Derzeit komme allmählich das Klimaphänomen El Niño hinzu. Das natürliche Wetterphänomen könne die im Zuge der Klimakrise steigenden Temperaturen zusätzlich in die Höhe treiben. "Es gibt ein Miteinander von kurzfristigen natürlichen Schwankungen und langfristiger anthropogener Erwärmung", sagte er. Deswegen gehe die Temperaturkurve nicht gleichmäßig nach oben.
Zahlreiche Korallen drohen nach Angaben mehrerer Forscher in diesem Jahr angesichts der Temperaturen auszubleichen. Die Lebensräume vieler Meereslebewesen verlagern sich Analysen zufolge teils mehrere Dutzend Kilometer pro Jahrzehnt Richtung Süd- oder Nordpol. Weitere Folge des wärmeren Wassers ist ein steigender Meeresspiegel, weil sich Wasser bei Erwärmung ausdehnt. Das ist laut Latif neben dem Schmelzen der kontinentalen Eismassen ein Hauptgrund für den Anstieg von bisher rund 20 Zentimetern. Warme Ozeane haben auch einen großen Einfluss auf das Wetter: "Durch die Verdunstung gelangt mehr Energie in die Atmosphäre, was zu stärkeren Wetterextremen führt", erklärte Latif.
Warmes Wasser kann zudem weniger Sauerstoff speichern, sodass Meereslebewesen mit weniger Sauerstoff auskommen müssen. Zudem nehmen die Ozeane laut Latif etwa ein Viertel des menschengemachten CO₂ auf und werden dadurch saurer – eine weitere Belastung für Korallen und andere kalkbildende Lebewesen, aber etwa auch für Dorschlarven.
Und die Erwärmung könnte sich künftig beschleunigen: "Da wärmer und saurer werdende Meere zudem einen weniger großen Anteil des menschengemachten Kohlendioxids aufnehmen können, müssen wir die Emissionen langfristig noch stärker reduzieren als ohnehin schon berechnet, um eine bestimmte globale Erwärmung nicht zu überschreiten", erklärte Latif. "Die marine CO₂-Senke beginnt bereits zu schwächeln und hat in den letzten Jahren nicht mehr in dem Maße zugelegt wie die CO₂-Konzentrationen in der Atmosphäre." Bei Landsenken wie Wäldern, die CO₂ aufnehmen, sei das Problem sogar noch gravierender.
Auch in der Arktis ist es zu heiß
Neue Daten zum Meereis in der Antarktis beunruhigen Experten. Laut Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am Alfred-Wegener-Institut (AWI), ist die von Eis bedeckte Fläche des Meeres in der Antarktis derzeit deutlich kleiner als im Durchschnitt der vergangenen 40 Jahre. "Sowas hat es noch nie gegeben, seit wir Satelliten haben", sagte Haas. Bisher habe sich die Meereis-Fläche im antarktischen Winter immer wieder erholt. Die aktuelle Situation könne weitreichende Konsequenzen haben. "Die Frage ist, ob es der Anfang vom Ende des Meereises in der Antarktis ist. Wenn es so weitergeht, wird es im Sommer gar kein Meereis mehr geben." Noch sei allerdings unklar, ob dies tatsächlich auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen sei oder eher auf natürliche Variabilität.
Die möglichen Folgen für die Weltmeere könnten jedenfalls gravierend sein, da der Rückgang des Meereises zu einem Anstieg der Meeresoberflächentemperatur und Veränderungen in den Meeresströmungen führen könnte. Haas verweist auf die Eis-Albedo-Rückkopplung: Eis reflektiert Sonnenstrahlen sehr gut, das Meer dagegen nimmt sie eher auf und erwärmt sich dadurch. Durch den Rückgang des Eises wird das Meer daher wärmer, sodass noch mehr Eis schmilzt.
Auch Waldbrände haben Hochsaison
Nicht nur die Meerestemperatur besorgt die Forscher. Auch Waldbrände häufen sich zuletzt. Erst am vergangenen Wochenende, als Österreich und Slowenien von Hochwasser heimgesucht wurden, zerstörten erneut Brände in Spanien und Portugal Tausende Hektar Wald. Am verheerendsten war ein Feuer, das bis Sonntagvormittag im Westen Portugals bereits 6200 Hektar vernichtet hatte,
Der Klimawandel wirkt natürlich auch auf die Waldbrände ein. So heißt es auf dem Copernicus-Webportal dazu, dass dieser derartige Ereignisse wahrscheinlicher mache und ebenso die Wahrscheinlichkeit einer längeren Brandsaison erhöht. Auch das Klimaphänomen El-Niño, der von der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf mit Anfang Juli bestätigt wurde, könnte etwa in Kanada, vor allem in den nördlichen Teilen des Landes, einen Beitrag für die Intensität der Brände geliefert haben.
Und die Intensität ist in diesem Jahr so groß wie nie zuvor, so vermeldete das Canadian Interagency Forest Fire Centre Ende Juni die bisher schlimmste Waldbrandsaison in der Geschichte, Ende Juli belief sich die verbrannte Fläche auf rund 120.000 Quadratkilometer, womit der bisherige Rekord von rund 71.000 km2 im gesamten Jahr 1995 bei weitem übertroffen wurde – Österreichs gesamte Fläche umfasst etwas weniger als 84.000 Quadratkilometer.