Die rote Rutsche der fünfjährigen Nichte treibt zwischen dem weggeschwemmten Brennholz. Wo früher die Einfahrt war, erstreckt sich nun ein See, der das am Waldrand gelegene Haus vollständig umschließt. Denis Škofič hat das Unheil kommen sehen. Der Sohn der 60-jährigen Hausbesitzer ist geblieben, alle anderen wurden evakuiert. Die Schwester, ihr Mann, die fünfjährige Enkelin und er: Sie alle waren zu Besuch bei den Eltern an diesem Samstag, als nur 200 Meter hinter dem Haus im nordslowenischen Dolnja Bistrica die Mur zuerst über das Ufer trat und dann einen wichtigen Damm auf 15 Meter Länge einfach sprengte. "Als es regnete und die Mur anstieg, war ich schon beim Damm nachschauen. Seit dem Hochwasser 2014, als die Mur den letzten Höchststand hier erreichte, wussten wir, dass er brechen könnte", sagt Škofič. Beim nächsten Hochwasser würde der Damm nicht halten, hätte man sich damals im Dorf erzählt. So kam es auch. "Ich dachte nicht, dass es so schlimm wird. Aber in nur 15 Minuten waren das Haus und das gesamte Areal geflutet", erzählt der 37-Jährige.
Größte Naturkatastrophe seit über 30 Jahren
Der Pegel der Mur geht bereits zurück, seit Sonntag immerhin um 15 bis 20 Zentimeter. Doch die Situation in Slowenien bleibt dramatisch, das Hochwasser hat bereits sechs Menschenleben gefordert, an zahlreichen Orten gibt es Überschwemmungen und Erdrutschungen. Ministerpräsident Robert Golob bezeichnet die Situation als die größte Naturkatastrophe seit über 30 Jahren. Zahlreiche Brücken wurden zerstört, die Telekommunikation fiel zeitweise aus. Bei der Nato wurden fünf große Transporthubschrauber, 200 Soldaten sowie weitere 20 Notbrücken beantragt.
Hubschrauber fliegt mit Sandsäcken
Was die Lage entlang der Mur angeht, ist Dušan Utroša zuversichtlich. Der Regionalkommandant der Feuerwehr koordiniert am Montag den Hubschrauber, der gerade Sandsäcke von einem Verladeplatz am Ortseingang zum gebrochenen Damm fliegt. Schon am Samstag waren zwei Hubschrauber der slowenischen und kroatischen Armee im Einsatz, um das geborstene Bauwerk mit Betonblöcken zu verbarrikadieren. "Doch die Blöcke werden unterspült", erklärt Utroša vor Ort. Die Sandsäcke, die am langen Seil unter dem Hubschrauber pendeln, sollen nun die letzten Abflüsse aufhalten. Zwischen Gornja Radgona und Lendava sei die Situation mittlerweile aber unter Kontrolle. "Bis Sonntag waren 1500 freiwillige Feuerwehrmänner, 300 Leute aus dem Zivilschutz und 600 Zivilisten an der Mur im Einsatz." Sie alle haben geholfen, unzählige Tonnen Sand in Säcke zu schaufeln. Diese weißen Sandsäcke säumen zahlreiche Straßen im Dorf. Auf seinem Handy seigt Dušan Utrošas die Bilder der Zerstörung.
Nach Dammbruch wurde evakuiert
Bei der Feuerwehr ist Kommandant Miroslav Vuk abwechselnd am Mobiltelefon oder am Funkgerät, um sein Team zu koordinieren. Auch er ist guter Dinge: "Bei der Messstelle in Gornja Radgona ist das Wasser um ein Drittel zurückgegangen", erklärt er. "In fünf bis sechs Stunden sollte es dann auch bei uns wesentlich besser sein." Vuk ist schon wieder gut gelaunt, er hat die Situation nun im Griff. Am Samstag musste Dolnja Bistrica nach dem Dammbruch vollständig evakuiert werden. Einen Tag später durften die Bewohner schon wieder zurückkehren.
Direkt an der Ortseinfahrt steht die Straße noch immer 15 Zentimeter unter Wasser. "Heute Morgen lag ein Fisch in unserer Einfahrt. Die Mur ist hier rund zwei Kilometer entfernt", erzählen Sandra und Stane Zver. Vor ihrem Haus stapeln sich noch immer Sandsäcke. Das Wasser fließt zwar noch direkt durch die Einfahrt, erreichte aber nie eine kritische Höhe. Evakuiert wurden die Zvers trotzdem.
Video: An der Ortseinfahrt von Dolnja Bistrica
Einige Kilometer die Straße hinauf, nahe dem Nachbardorf Srednja Bistrica, steht das Wasser nur wenige Zentimeter unter der Murbrücke, einzelne Stellen sind mit Treibholz verklaust. Der Wald und die gesperrte Straße sind überflutet. Die Hoffnung bleibt, dass sich die Lage bald bessert. Das Wetter bessert sich diese Woche jedenfalls.