Nach der Evakuierung von knapp 20.000 Touristen und Einheimischen wüten die Feuer im Südosten der griechischen Ferieninsel Rhodos weiter. Schon seit gut einer Woche lodern die Waldbrände, die am Wochenende außer Kontrolle geraten sind. Mit dem ersten Tageslicht sollten am Montagmorgen abermals Löschflugzeuge und Hubschrauber rund um die Ortschaft Laerma eingesetzt werden, wie die Feuerwehr mitteilte.
In der Nacht kämpften Hunderte Feuerwehrleute dagegen, dass die Flammen auf weitere Dörfer und Ortschaften übergriffen, wie das Staatsfernsehen (ERT) berichtete.Im Einsatz waren auf Rhodos am Sonntag zehn Löschflugzeuge und acht Hubschrauber. Darunter auch zwei Flugzeuge aus Frankreich, zwei aus der Türkei, eins aus Kroatien sowie ein Hubschrauber aus Jordanien, wie die Feuerwehr mitteilte. Trockenheit in Verbindung mit hohen Temperaturen und Wind sorgt dafür, dass sich das Feuer ausbreitet.
Betroffene aus Österreich
"Die österreichische Botschaft in Athen und das Honorarkonsulat in Rhodos stehen mit rund 70 betroffenen Österreichern in Kontakt, die bereits von den griechischen Einsatzteams aus den akuten Brandgebieten evakuiert werden konnten", informierte das Ministerium. Betroffene Personen können sich jederzeit an das österreichische Außenministerium oder die Botschaft in Athen wenden.
Größte Evakuierungsaktion Griechenlands
Tausende Touristen, die am Samstag wegen der starken Rauchbildung und der immer näherkommenden Flammen ihre Hotels rund um das beliebte Ferienstädtchen Lindos verlassen mussten, verbrachten die zweite Nacht in Sporthallen und Schulen. Viele warteten im Flughafen auf die nächste Möglichkeit, um abzufliegen.
"Wir haben jetzt 4.000 bis 5.000 Menschen in verschiedenen Einrichtungen untergebracht", sagte etwa Thanasis Virinis, ein örtlicher Vizebürgermeister, dem Sender Mega. Benötigt würden etwa Matratzen und Bettwäsche. Es handle sich um die größte Evakuierungsaktion, die es jemals in Griechenland gegeben habe, eilte das Büro von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Sonntagvormittag mit.
Ein Sprecher der Feuerwehr sagte dem Sender Skai, die Evakuierten hätten Essen und Wasser erhalten und würden medizinisch versorgt. Die Reiseveranstalter arbeiten demnach eng mit den Behörden vor Ort und mit Hochdruck an Lösungen. Für die betroffenen Urlauber seien Sammelpunkte im Norden der Insel geplant, bis die Feuer gelöscht seien. "Oberste Priorität hat der Schutz von Leib und Leben", hieß es weiter. Urlauber, die in den nächsten Tagen nach Rhodos wollten, würden von ihren Reiseveranstaltern kontaktiert und informiert, ob die Reise stattfinden könne.
Allerdings reisten am Sonntag mit Charter- und Linienflügen trotz der Brände weitere Touristen an, wie Reporter berichteten. Rund 90 Prozent der Hotels von Rhodos sind nach Aussagen von Vertretern der Kommunalbehörde unversehrt von den Bränden geblieben - die meisten von ihnen angesichts der Hauptsaison jedoch auch ausgebucht. Die Behörden sprachen von fast 20.000 Evakuierten, darunter Einheimische.
Hitzewelle soll am Donnerstag zu Ende gehen
Die Feuerwehr warnte abermals: Die Waldbrandgefahr werde weiterhin im Südosten der Insel auch am Montag und Dienstag sehr stark bleiben. Grund sei eine Zunahme des Windes. Eine erste Hoffnung ist aber in Sicht: Kommenden Donnerstag soll die praktisch seit zwei Wochen in Griechenland andauernde Hitzewelle vorerst zu Ende gehen. Dann sollen laut Vorhersage die Thermometer wieder für die Jahreszeit normale Temperaturen um die 35 Grad erreichen - statt nun 40 Grad und mehr.
Brände auch auf Halbinsel Peloponnes und Korfu
Auch in anderen Landesteilen Griechenlands soll ab Donnerstag die Hitzewelle zu Ende gehen. Die Brandgefahr bleibt jedoch vielerorts extrem hoch. Weitere Brände sind bereits ausgebrochen. So gab es am Wochenende auf der Halbinsel Peloponnes und auf der Ferieninsel Korfu mehrere Feuer, die wegen der Winde am Montag gefährliche Dimensionen erreichen könnten, wie Reporter vor Ort berichteten.
Ausweispapiere zurückgelassen
Unterdessen kommen neue Fragen in Zusammenhang mit der Evakuierung der Hotels im Südosten der Insel auf. Viele Touristen hatten ihre Koffer und andere Gegenstände, darunter auch Ausweispapiere, in ihren Zimmern zurückgelassen. Christos Pilatakis, ein Hoteldirektor aus der Stadt Lindos, sagte der dpa am Sonntag, dies müsse zwischen den Reiseagenturen und den Hotels geregelt werden. Zuerst müssten die Feuerwehr und die Polizei die Rückkehr des Personals erlauben. Danach sollten die zurückgelassenen Sachen in die jeweiligen Länder der Gäste geschickt werden. Dies werde einige Tage dauern.
TUI streicht Reisen bis 25. Juli
Der Reiseanbieter TUI hat am Sonntag bekannt gegeben, aufgrund der Situation alle Reisen bis 25. Juli nach Rhodos zu streichen. "Die Situation im Südosten von Rhodos ist aufgrund der Waldbrände weiterhin unbeständig und herausfordernd. Die aktuelle Evakuierung wird Folgen für die gesamte Insel haben. Daher müssen wir leider alle Reiseverträge mit Anreise bis zum 25.07.2023 nach Rhodos kündigen", schreibt TUI auf deren Webseite.
Der TUI-Konzern habe insgesamt derzeit etwa 39.000 Gäste auf Rhodos, 7.800 von ihnen seien laut einer Sprecherin vom Feuer betroffen und evakuiert worden. "Kunden, die sich derzeit auf Rhodos aufhalten, werden mit ihrem geplanten Heimflug zurückkehren", heißt es in einer Erklärung. Von Graz aus geht der nächste Flieger am kommenden Dienstag, also am 25. Juli, nach Rhodos.
Dramatische Szenen bei der Flucht
Viele Menschen flohen aus Hotels, als die Flammenfront die Küstendörfer Kiotari, Gennadi, Pefki, Lindos, Lardos und Kalathos erreichte. Auf der Insel kam es teilweise zu dramatischen Szenen: "Wir gingen um zwei Uhr morgens die Straße entlang und das Feuer holte uns ein", sagte eine Touristin auf Sky News und fügte an: "Ich hätte nicht gedacht, dass wir es schaffen würden." Die Frau wurde schließlich mit ihrer elfjährigen Tochter in einer Schule im nördlichen Teil der Insel in Sicherheit gebracht.
Die Feuerwehr kämpfte am Sonntag auf Rhodos mit Unterstützung von Löschflugzeugen und -hubschraubern an drei Fronten gegen die Flammen. Dabei richtete sie Brandschneisen ein.
Flammen schneiden Straßen ab
"Das ist kein Feuer, das morgen oder übermorgen vorbei ist", sagte Feuerwehr-Sprecher Vassilis Varthakogiannis am Sonntag dem Sender Skai TV. Der Brand auf Rhodos werde "uns tagelang zu schaffen machen". Laut dem griechischen Sender ERT mussten Feuerwehrleute nahe Lardos im Ypseni-Kloster Schutz suchen. Dort hätten sie wiederum versucht, die Mönche zum Verlassen der Anlage zu bewegen.
Von den Stränden Kiotari und Lardos im Osten der Mittelmeerinsel wurden laut Küstenwache mehr als 2.000 Menschen von Schiffen abgeholt und zu einem anderen, sicheren Strand der Insel gebracht. An dieser Evakuierungsaktion unter der Führung von drei Schiffen der Küstenwache waren mehr als 30 private Schiffe beteiligt.
Evakuierungen mit Schiffen und Bussen
Ein Schiff der griechischen Marine befand sich auf dem Weg in das Katastrophengebiet, um bei den Rettungsaktionen zu helfen, wie die Küstenwache weiter mitteilte. Auch Dutzende Busse wurden zur Rettung der Menschen losgeschickt. In Kiotari beschädigte das Feuer drei Hotels.
Evakuierte Urlauber verpassten Heimflüge
Seit am frühen Samstagmorgen der Evakuierungsalarm ausgegeben worden war, waren Touristen zu Fuß an die Strände gelaufen. Laut Medienberichten hatten manche der jetzt evakuierten Urlauber ihre Flüge von der Insel verpasst, da die Flammen die normalen Verkehrsverbindungen abgeschnitten hatten. Das griechische Außenministerium hat am Flughafen der Insel Rhodos einen Hotspot eingerichtet, wo Touristen unbürokratisch eine Ausreisegenehmigung erhalten, wenn sie wegen der großen Waldbrände auf der Insel keine Ausweispapiere mehr haben. Das berichtete am Sonntag der griechische Staatssender ERT.
Viele Menschen hätten vor dem Feuer flüchten müssen und unter Umständen keine Zeit mehr gehabt, ihr Hab und Gut mitzunehmen. Viele Menschen haben nicht nur ihre Koffer zurücklassen müssen, sondern sind nun auch ohne Unterkunft, weil die Hotels und Pensionen in der Hauptsaison ausgebucht sind.
Großbrand wütet seit einer Woche
Der Großbrand auf Rhodos wütet seit fast einer Woche. Er war auf einem Berg im Zentrum der Insel ausgebrochen. Bei der Bekämpfung des Feuers waren fünf Hubschrauber und rund 200 Feuerwehrleute im Einsatz. Die Einsatzkräfte warnten am Sonntag, dass starker Wind die Flammen anfacht und so die Löscharbeiten behindert. Es werde erwartet, dass der Wind zwischen der Mittagszeit und dem späten Nachmittag stärker wird, sagte Feuerwehr-Sprecher Vassilis Vathrakoyiannis. Die Behörden fürchten, der Einsatz zur Eindämmung des Feuers werde noch mehrere Tage dauern.
Der griechische Zivilschutz warnte für Sonntag für weite Teile Griechenlands vor extrem hoher Waldbrandgefahr. Die höchste Alarmstufe fünf galt neben Rhodos auch für Mittelgriechenland, den Westen und Nordosten der Halbinsel Peloponnes sowie den Großraum Athen und die Insel Euböa. Seit Tagen hat eine starke Hitzewelle mit vielerorts Temperaturen von über 40 Grad das Land im Griff. Auch zuvor war es bereits länger heiß und trocken.
Weltweit extreme Hitzeperiode
Griechenland ist nur eines von vielen Ländern weltweit, die mit einer lang anhaltenden extremen Hitzeperiode zu kämpfen haben. In den USA warnte der Wetterdienst rund 80 Millionen Einwohner für dieses Wochenende vor Temperaturen von 41 Grad und mehr. Für Phoenix im US-Bundesstaat Arizona, das derzeit die längste Hitzewelle seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erleidet, wurden mehr als 46 Grad vorausgesagt.
Im 500 Kilometer entfernten Death Valley in Kalifornien, dem heißesten Ort der Erde, machen Touristen seit Tagen Selfies mit der Temperaturanzeige vor dem Besucherzentrum. Viele hoffen, dass der globale Hitzerekord aus dem Juli 2013 von 56,7 Grad Celsius gebrochen wird - der nach Ansicht vieler Experten allerdings auf eine fehlerhafte Messung zurückgeht.
Der Katastrophentourismus im Death Valley birgt Risiken für Leib und Leben: In dem Nationalpark war erst vor wenigen Tagen ein 71-jähriger Mann aus Los Angeles vor der Toilette eines Wanderwegs zusammengebrochen und gestorben.
Im Bundesstaat Washington zerstörte am Wochenende ein Waldbrand binnen eines Tages mehr als 12.000 Hektar Land. Im benachbarten Kanada wüten insgesamt noch fast tausend Waldbrände. In der diesjährigen besonders heftigen Waldbrandsaison in Kanada brannten bereits 11,3 Millionen Hektar Land nieder.
Wissenschaftern zufolge nehmen Wetterextreme wie Hitzewellen als Folge des Klimawandels an Intensität und Häufigkeit zu.