Bär und Wolf sind am Montag auch ein Thema des EU-Agrarrats in Luxemburg gewesen. In einer auf Initiative von Rumänien abgehaltenen Aussprache forderte Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) erneut länderübergreifende Maßnahmen und eine "praxisnahe Ausnahme vom strengen Schutz des Wolfs". Zahlreiche EU-Länder haben dasselbe Problem: Die Populationen von bisher streng geschützten Raubtieren nehmen stark zu und sorgen für Verunsicherung und Schäden.
"Realer Situation Rechnung tragen"
Rumänien forderte heute in Luxemburg einen Paradigmenwechsel der bisherigen EU-Politik gegenüber "Beutegreifern" und "innovative Lösungen", um ein gedeihliches Zusammenleben von Mensch und Tier weiter zu ermöglichen. Man müsse der "realen Situation Rechnung tragen". Und die zeige etwa, dass in Rumänien zwei Drittel des europäischen Braunbärbestandes angesiedelt sei, der durch die wachsende Zahl immer mehr Probleme in Landwirtschaft und Tourismus verursache. "Wir sprechen von 8000 Bären. Und die Zahl steigt", so die rumänische Vertreterin.
Die größten Probleme scheinen aber Wölfe zu verursachen. In der Slowakei habe ein Wolfsrudel in der vergangenen Woche 300 Schafe angegriffen, von denen zwei Drittel dabei getötet oder verletzt wurden, hieß es seitens des Nachbarlandes, das ebenso wie die Tschechische Republik Rumäniens Vorstoß auf EU-Ebene unterstützte. Es sei Zeit, den Schutzstatus bestimmter Arten zu überdenken, hieß es von tschechischer Seite. Dieser Haltung schlossen sich viele Ländervertreter an. Einzig Deutschland sah zwar "einen schwierigen Weg zur Koexistenz" mit den Großraubtieren, aber für eine Änderung der 1992 beschlossenen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie "derzeit keinen Handlungsbedarf".
Nicht nur die Welt an sich, auch der Bestand der im Annex der FFH-Richtlinie angeführten Tierarten habe sich in den seither vergangenen drei Jahrzehnten radikal verändert, lautete dagegen der Tenor der Wortmeldungen. "Es gibt einfach immer mehr Raubtiere, dem müssen wir etwas entgegenhalten", hieß es etwa seitens Italiens. Frankreich forderte eine größere Flexibilität für die Mitgliedsländer, eine Überarbeitung der Richtlinie und ihres Anhanges sowie zusätzliche Finanzmittel, während Spanien, das über die zweitgrößte europäische Wolfspopulation verfügt, für eine zurückhaltende Strategie eintrat. Man brauche eine langfristige Strategie und rate von kurzfristiger Freigabe von Abschüssen ab.
Genau das ist in Österreich aber derzeit nach immer häufigeren Wolfsrissen die Problemlösungsstrategie. Ab 1. Juli dürfen nach Kärnten, Tirol und Niederösterreich auch in Oberösterreich Problemwölfe abgeschossen werden. Die entsprechende Wolfsmanagementverordnung wurde am Montag in der Landesregierung mehrheitlich beschlossen. In Salzburg sind entsprechende Verordnungen derzeit in Begutachtung, in der Steiermark arbeitet eine Expertenkommission gerade an einem Verordnungsentwurf.
Rechtlicher Umgang ist umstritten
Europarechtlich ist der gewählte rechtliche Umgang mit dem Problem umstritten, dass das politische Problem infolge einer steigenden Verunsicherung der Bevölkerung und immer größerer Schäden jedoch immer akuter werde, daran ließen kürzlich auch der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) bei einer Diskussion in Brüssel keinen Zweifel. In Luxemburg führte Landwirtschaftsminister Totschnig seinen europäischen Amtskolleginnen und -kollegen die Zunahme dieses Problems in Österreich anhand von Zahlen vor Augen: 2020 seien in Österreich 330 Wolfsrisse gezählt worden, im Jahr darauf 506 und im Vorjahr die bisherige Rekordzahl von 791. Heuer seien es bereits 150, obwohl die Almsaison gerade erst begonnen habe.
Seitens der EU-Kommission wurde heute versichert, das Problem im Blick zu haben. Man wolle "angemessene Lösungen" unterstützen und habe deshalb eine Expertenstudie in Auftrag gegeben, die Fakten zusammentragen und bis Jahresende Möglichkeiten aufzeigen soll, wie mit den regionalen Problemen durch Wölfe umgegangen werden kann. Für eine Änderung der FFH-Richtlinie bedarf es der Zustimmung aller 27 EU-Staaten, zuständig dafür sind die Umweltminister, also Ressortchefin Leonore Gewessler. Die grüne Politikerin hatte sich erst im Februar gemeinsam mit elf EU-Amtskollegen auf EU-Ebene für den Schutz des Wolfs stark gemacht.