Der Berg drängt mit Macht gegen das verwitterte Gemäuer. Herabgestürzte Felsbrocken ragen im rumänischen Kurort Baile Herculane (Herkulesbad) durch eingedrückte Fenster in das Innere des einstigen Kaiser- und heutigen Neptunbads. Achselzuckend weist die Architektin Oana Chirila auf die Wasserlache unter einem neu eingezogenen Wellblechdach: "Das Wasser ist überall."
Graue Regenwolken hängen im engen Tal der Cerna über den angerosteten Kuppeln von Kaiserin Sisis einstigen Lieblingsthermen. Grüne Zweige wuchern auf ausgebrochenen Dachsimsen und aus Fensterhöhlen. "Zutritt verboten" prangen Warnschilder an der vergitterten Fußgängerbrücke und am Haupteingang der mit Brettern vernagelten Badehallen. Hakenkreuz- und Penis-Graffiti verunstalten den blätternden Putz.
Noch wäre es möglich, das architektonische Herzstück von Baile Herculane zu rekonstruieren, so Chirila: "Doch wir fürchten den Einbruch weiterer Dächer. Das gesamte Monument steht auf der Kippe."
"Zu den heiligen Herkuleswassern", erinnern lateinische Lettern unter der Kuppel an die antiken Wurzeln des Heilbads: Wegen seiner schwefelhaltigen Thermalquellen galt Herkulesbad bereits zu römischen Zeiten als Kurort. Während der osmanischen Besatzung verlor er an Bedeutung. Als Österreich 1718 die Kontrolle der Region übernahm, ließ die neue Militärverwaltung in Herkulesbad für Armeeangehörige neue Bäder anlegen.
Der Jetset der Doppelmonarchie
Der kometenhafte Aufstieg zu einem der mondänsten Kurorte des Kontinents sollte im 19. Jahrhundert erfolgen. Der Wiener Stararchitekt Carl Wilhelm Christian von Doderer verhalf dem Flecken mit Nobelhotels, Pavillons und Kurbadanlagen zu spätbarockem Glanz. Ob Kaiser Franz-Joseph oder seine populäre Gemahlin, ob Komponisten oder Maler: Der Jetset der Doppelmonarchie stieg im vornehmen Herkulesbad ab.
Wie damals prangt die 1847 aus Kanonenrohren gegossene Herkules-Statue noch im Zentrum von Baile Herculane. Doch Sisi würde das baufällige Badehaus heute wohl nicht mehr betreten. "Welcome to hell" ist in der hellblau getünchten Vorhalle ihrer einstigen Behandlungskabine im Kaiserbad zu lesen. Bis zum Sturz von Nicolae Ceausescu 1989 war das imperiale Badehaus im Gebrauch, während Rumäniens entbehrungsreicher Transformation setzte sein Niedergang ein. Nicht nur der Zahn der Zeit und Vandalismus, sondern vor allem die korruptionsanrüchige Privatisierung, Rumäniens berüchtigter Amtsschimmel und rechtliche Hürden setzten Sisis einstiger Lieblingstherme massiv zu.
Rettungsmission als Herkulesaufgabe
Die Architekteninitiative "Locus" streitet mit dem von ihr konzipierten "Herculane Project" für den Erhalt des einsturzgefährdeten Baudenkmals. Doch unzählige Widerstände machen ihre Rettungsmission zur auszehrenden Herkulesmission. Das Neptunbad gelte in Rumänien als Baudenkmal der Kategorie A, berichtet die Locus-Vorsitzende Chirila. Laut Gesetz sei es Aufgabe des Staats, die Badehallen zu bewahren. Gleichzeitig sei es gesetzlich verboten, öffentliche Gelder in Eigentum mit offenen Rechtsstreitigkeiten zu investieren. Wegen der ungeklärten Rechtslage weigere sich der Staat, selbst dringend nötige Sicherungsmaßnahmen zum Erhalt der Baustruktur zu finanzieren: "Die Zeit drängt. Das Bad verfällt immer schneller."
In Baile Herculane sicherte sich während der Regierungszeit des sozialistischen Ex-Premiers Adrian Nastase (2000-2004) der lokale PSD-Abgeordnete Iosif Armas die Kontrolle über die Altstadt. An der Wiederbelebung des Badebetriebes zeigte der windige Geschäftsmann keinerlei Interesse. Teile des Bads wurden von ihm bald verscherbelt oder verpfändet. Mittlerweile ist die Kommune zwar wieder der Eigentümer der Bäderruine, doch teilen sich drei Eigentümer die Rechte an deren Grundstück. Zu allem Übel haben sich in Bukarest in den letzten sechs Jahren fünf Kulturminister die Klinke in die Hand gedrückt. "Bei jedem Ministerwechsel können wir wieder ganz von vorne beginnen", so Chirila.
Es ist nur den Anstrengungen der Architekten zu verdanken, dass das Neptunbad überhaupt noch steht: Zwar hat die Stadt den Berghang hinter dem Bad von Unrat gesäubert. Doch anstatt diesen abzutransportieren, wurde er einfach an der Rückwand des Bades abgeladen.
Thomas Roser (Sofia)