Bei einem schweren Zugsunglück in Indien sind am Freitag mindestens 288 Menschen ums Leben gekommen. Zudem seien mindestens 850 weitere Personen verletzt worden, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP am Samstag. Die Rettungsarbeiten dauerten an. Nach Angaben der Regierung des ostindischen Bundesstaates Odisha handelt es sich um das schwerste Eisenbahnunglück in Indien seit über zehn Jahren.
Bahnvertreter erklärten, der Coromandel Express von Kalkutta nach Chennai sei gegen 19.00 Uhr Ortszeit im Bundesstaat Odisha mit einem weiteren Personenzug, dem Howrah Superfast Express, zusammengestoßen. In ersten Medienberichten war von einem Zusammenstoß des Coromandel Express mit einem Güterzug die Rede gewesen.
Medienberichten zufolge war vermutlich erst einer der beiden Passagierzüge entgleist, der andere dann auf der wenige Meter entfernten Parallelstrecke in die dort auf den Gleisen liegen gebliebenen Waggons gerast. Welcher der beiden Züge zuerst entgleiste und aus welchen Gründen, das blieb zunächst ungeklärt.
Bilder von der Unglücksstelle zeigten Rettungskräfte, die in dem Wrack eines Waggons nach Überlebenden suchten. Auf Videos, die in den sozialen Medien zirkulieren, ist zu sehen, wie Krankenwagen eintrafen und Menschen aus den umgestürzten Waggons gezogen wurden.
Mit Tagesanbruch am Samstag wurde das Ausmaß des Desasters besser sichtbar. Etwa ein Dutzend havarierte Waggons lagen auf und neben den Gleisen, in die Höhe ragende Stahlkolosse, einige mit aufgerissenen Abteildecken, die Fenster zerschmettert. Auf und neben den Waggons versuchten Dutzende Helfer in Zivilkleidung und Rettungskräfte mit orangenen Schutzanzügen verzweifelt, verletzte Passagiere unter den tonnenschweren Trümmern zu retten.
Schreckliche Augenzeugenberichte
Ein Augenzeuge sagte dem örtlichen Fernsehsender NDTV, er sei aus dem Schlaf gerissen worden, als sein Zug plötzlich entgleiste - und das Chaos losbrach. "10 bis 15 Menschen fielen auf mich", erzählte er dem Sender. Er selbst sei mit Verletzungen am Hals und an den Händen davongekommen, habe dann aber überall abgetrennte Körperteile von Menschen erblickt.
"Es war ein ohrenbetäubender Lärm, ich spürte den Boden unter meinen Füßen erzittern. Unser Zug wurde vor- und zurückgeworfen", wurde ein Fahrgast von der Zeitung "Times of India" zitiert. Dann habe er aus dem Fenster geschaut und die entgleisten Waggons gesehen, mit darunter eingeklemmten Menschen. "Es war dunkel und ich konnte Schreie hören." Ein anderer Mann schilderte, wie völlig aufgelöste Angehörige später in einem Feld verstümmelter Leichen nach ihren Liebsten suchten. "Der Anblick war zu schrecklich, um ihn zu beschreiben."
Indiens marodes Bahnsystem mit alten Zügen und vielerorts überholungsbedürftigen Gleisanlagen ist bekannt für häufige Unfälle. Doch derart hohe Opferzahlen sind selbst in dem riesigen Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern äußerst selten.
Bahnminister Ashwini Vaishnaw sagte der Nachrichtenagentur ANI, er habe eine Untersuchung zur Ursache der Zugkatastrophe angeordnet. Am Samstagmorgen traf er an der Unfallstelle ein, um sich ein Bild vom Ausmaß der Tragödie zu machen. Premierminister Narendra Modi zeigte sich erschüttert und schrieb auf Twitter: "In dieser Stunde der Trauer sind meine Gedanken bei den trauernden Familien." Der Samstag wurde in Odisha zum Trauertag erklärt.
Das Büro des Premierministers kündigte schon kurz nach dem Unglück eine Entschädigung für die Angehörigen der Toten von je 200.000 Rupien (2.267 Euro) an. Verletzte sollen demnach je 50 000 Rupien bekommen. Bahnminister Ashwini Vaishnaw versprach zusätzlich eine Entschädigung in Höhe von einer Million Rupien für die Angehörigen der Toten. Schwerverletzte sollen den Angaben zufolge je 200.000 Rupien und Leichtverletzte je 50.000 Rupien erhalten.