Von seinen 300 Rindern hat Kiaro Kubani Orminis schon 200 verloren. Nach und nach sind die Tiere verhungert. Der Viehzüchter weiß nicht mehr weiter, sagt er. In der Region Loliondo in Tansania im Osten von Afrika gehört er zum Volk der Massai, ist dort so etwas wie ein "Ältester". Und ein Vertriebener.

Denn wenn es nach der tansanischen Regierung geht, gefährden er und die Hunderttausenden anderen Massai den Naturschutz. Präsidentin Samia Suluhu Hassan beruft sich auf eine Studie aus dem Jahr 2019, nach der die Viehherden der Massai das Ökosystem stören. Stück für Stück nimmt sie den Massai daher ihr Land weg, drängt sie zurück, streicht Gelder für Krankenhäuser und Schulen, gibt ihnen immer weniger Weideflächen für ihre Rinder. Gleichzeitig wirbt die tansanische Regierung mit dem traditionellen Volk in Prospekten für Touristen und erlaubt Großwildjagden im Gebiet.

Die Massai leben von der Viehzucht. "Für uns bedeuten die Tiere alles. Nur wenn man viele Kühe hat, kann man seine Kinder zur Schule schicken und zum Studieren", erklärt Kiaro Kubani Orminis. Er trägt ein kariertes Tuch um die Schultern, spricht Suaheli. Sein Volk leide gerade Hunger, schildert er. Es lebe in Angst, letztes Jahr seien Menschen gewaltsam vertrieben worden, "viele wurden niedergeschossen". Niemand traue sich mehr, sich zu wehren. "Wir werden lautlos und still gemacht."

Die zweite Vertreibung

Kiaro Kubani Orminis will das Schweigen brechen. Gemeinsam mit anderen Delegierten ist er nach Europa gereist, hat dort mit der Politik und mit Hilfsorganisationen gesprochen, war in Belgien, im Vatikan, in Deutschland und in Österreich. Die europäischen Länder seien mit ihren Entwicklungsgeldern nicht ganz unbeteiligt an der Situation in Tansania. Die Massai sehen sie in der Pflicht, fordern Unterstützung ein.

Edward Thomas Porokwa und Kiaro Kubani Orminis im Welthaus Graz
Edward Thomas Porokwa und Kiaro Kubani Orminis im Welthaus Graz © KK

Besonders in der Kritik steht die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Der damalige Direktor Bernhard Grzimek – eine umstrittene Persönlichkeit mit NSDAP-Vergangenheit – überzeugte den ehemaligen tansanischen Präsidenten Julius Nyerere in den 50ern, weite Teile des Landes unter Naturschutz zu stellen.

Damals wurden die Massai das erste Mal von ihrem Land vertrieben. Es hieß: Alle Menschen raus aus der Serengeti, nur so kann sie geschützt werden. Also gingen die Massai nach Loliondo und Ngorongoro. "Den Massai wurde versprochen, dass sie von dort nie wieder vertrieben werden", weiß Sigrun Zwanzger vom Welthaus Graz, wo die Delegierten ihren letzten Stopp haben. Doch jetzt wiederholt sich die Geschichte. Die ZGF zeigt sich zu den aktuellen Ereignissen "schockiert", man sei an den aktuellen Plänen für das Land nicht beteiligt.

Klimaschutz vs. Großwildjagd

Warum sie eine Gefahr für die Natur sein sollen, verstehen die Massai nicht. "Wir haben hier seit einem Jahrhundert gelebt", Kiaro Kubani Orminis. Die Massai seien eins der wenigen Völker, die die Natur schützen, fügt Edward Thomas Porokwa vom Pingos Forum hinzu, der gemeinsam mit Orminis nach Europa gekommen ist. "Es gibt Wildtiere, Wälder und viel Biodiversität, dort, wo das Volk lebt." Die jetzige Klimaschutzpolitik verfolge andere Interessen, die der Touristen in den Naturschutzgebieten und die der Großwildjäger zum Beispiel.

Die Reise nach Europa hat Hoffnung gebracht. Im Juli wird eine Delegation aus EU-Parlamentariern nach Tansania reisen, die tansanische Regierung hat zugesagt, dass sie dort frei mit den Menschen reden können. Das sei ein erster Schritt. "Die Regierung soll mit uns reden, wir wollen gehört werden und eine gemeinsame Lösung finden", sagt Kiaro Kubani Orminis. "Wir müssen weiterkämpfen."