Treffen sich 21 Geheimagenten aus zwei verschiedenen Ländern wirklich nur, um gemeinsam einen Geburtstag zu feiern? Auch drei Tage nach dem tragischen Bootsunglück auf dem Lago Maggiore rätselt Italien über die Hintergründe des Vorfalls auf dem See. Vier Menschen kamen ums Leben, als ein Hausboot auf dem See in Norditalien unterging. Die Passagiere waren Geheimagenten: acht aus Italien, dreizehn aus Israel. "Der Schiffbruch der 007", titelte die Tageszeitung "La Stampa" am Dienstag.

Den ersten Agenturmeldungen zufolge hatte ein heftiges Unwetter das Boot zum Kentern gebracht; die Gruppe hatte sich demnach einen Ausflug gegönnt, nachdem die Israelis ihren Rückflug verpasst hatten. Später hieß es, man habe den Geburtstag eines ehemaligen Mossad-Agenten feiern wollen. Der Leichnam eines der Opfer wurde gestern nach Israel gebracht, wie das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Auftrag des Mossad bekannt gab. Zwei weitere Tote waren Beschäftigte des italienischen Geheimdienstes.



Die Ermittlungen konzentrierten sich italienischen Medienberichten zufolge nun zuerst auf den Skipper Claudio Carminati (53). Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, eröffnete sie ein Verfahren gegen ihn wegen Schiffbruchs und Totschlags. Carminati, der bei dem Unglück auch seine aus Russland stammende Frau verlor, hat viele Fragen zu beantworten: Warum waren so viele Leute auf dem Schiff, obwohl nur 15 Passagiere erlaubt waren? War das 40 Jahre alte Boot überhaupt seetüchtig?Carminatis Berufsausweis als Kapitän soll mit dem Boot versunken sein.

Viele offene Fragen

Und letztlich geht es auch um die Frage: Wie kam es zu dem geballten Agenten-Aufmarsch auf seinem Boot? Auch wenn ein Geburtstagsfest nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, suchen die Ermittler derzeit noch nach weiteren möglichen Gründen. Zugleich erscheint auch die Vorstellung eines geheimdienstlichen "Arbeitstreffens", bei dem womöglich wichtige Dokumente und Informationen ausgetauscht wurden, auf einem alten Boot nur mäßig plausibel – oder zumindest schlecht geplant.

"Höllenangst"

Das Unglück selbst ereignete sich kurz nach 19 Uhr in der Nähe von Lisanza rund 150 Meter vom Ufer entfernt. "In wenigen Minuten hat sich die Wetterlage plötzlich geändert. Ein heftiges Gewitter mit starkem Wind und gewaltigen Wellen brach los, wir hatten eine Höllenangst", berichtete ein Überlebender. Die Passagiere gerieten in Panik, 14 Personen konnten schwimmend das 150 Meter entfernte Ufer erreichen. Weitere sieben Menschen wurden von einigen vorbeifahrenden Booten in Sicherheit gebracht. Möglich wäre, dass die vier Toten im sinkenden Boot eingeschlossen waren und sich nicht befreien konnten.

Der Lago Maggiore ist mit einer Länge von 65 Kilometern der zweitgrößte See Italiens. Hausboote werden oft für Partys gemietet. Die gesunkene "Goduria" war ein 1982 gebautes und 16 Meter langes Schiff.