Die Bilanz der Unwetter in der norditalienischen Adria-Region Emilia Romagna wird immer erschreckender. Die Zahl der Todesopfer ist am Donnerstag auf 14 gestiegen. Ein Ehepaar sei tot in seinem überschwemmten Haus aufgefunden wurde, berichteten italienische Medien. Der Sohn des Ehepaares im Alter von 73 und 71 Jahren hatte die Behörden informiert, nachdem er die Eltern telefonisch nicht mehr erreichen konnte.
Tausende von Hektar stehen unter Wasser
Es wird vermutet, dass das Ehepaar in das Haus zurückgekehrt sei, um ein Elektrogerät vor dem Wasser zu retten. Die genaue Todesursache wird noch untersucht. Auch Tod durch Stromschlag werde nicht ausgeschlossen, berichteten italienische Medien. Weitere zwei Tote wurden in der Provinz Ravenna geborgen. Eine weitere Person wird noch vermisst.
Die schweren Unwetter in der norditalienischen Adria-Region Emilia Romagna haben auch der Landwirtschaft und der Viehzucht, einem wichtigen Wirtschaftssektor der Gegend, schwere Schäden zugefügt. Allein im Raum zwischen Forlì und Rimini beträgt der Schaden an den Feldern eineinhalb Milliarden Euro, berichtete der Landwirtschaftsverband Coldiretti.
In der Romagna und im Raum Bologna haben Unwetter und Überschwemmungen eines der wichtigsten Obst- und Gemüseanbaugebiete Italiens zerstört. Das Szenario ist düster: Tausende von Hektar stehen unter Wasser, mehrere Hektar Obstplantagen sind überschwemmt und Ställe ohne Strom, Lagerhäuser wurden überflutet. Außerdem gingen ganze Getreideernten verloren.
Hohe Verluste für Landwirtschaftsunternehmen
5000 Landwirtschaftsbetriebe haben Schäden zu verzeichnen, berichtete Coldiretti. Betroffen seien unter anderem Weinberge, Äpfel- und Birnenplantagen sowie Gemüsefelder. Probleme gab es auch bei der Lieferung verderblicher Lebensmittel, die durch die Schließung der Autobahn A14 zum Erliegen kam. Das führte zu weiteren Verlusten für die Landwirtschaftsunternehmen.
Der italienische Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida versicherte, dass die Regierung schnell eingreifen werde, um den von den Unwettern und den schwersten Niederschlägen der vergangenen 30 Jahre betroffenen Gemeinden zu helfen. Er versprach ein Regierungsdekret und die Bereitstellung angemessener Mittel zur Bewältigung der Schäden. Die Landwirtschaftsverbände fordern ein sofortiges Eingreifen der Regierung mit Notstandsgesetzen wie im Falle des Erdbebens, das die Gegend im Jahr 2012 erschüttert hatte.
21 Flüsse sind über die Ufer getreten
Insgesamt stehen 37 Gemeinden vollständig unter Wasser. Papst Franziskus äußerte sein Beileid und Mitgefühl für die Betroffenen der Überschwemmungen in Norditalien, berichtete "Kathpress". Er bete für die Verstorbenen und deren Familien sowie die Verletzten und alle, die unter den Folgen des "schweren Unglücks" leiden, heißt es in einem Telegramm aus dem Vatikan am Donnerstag. Unterzeichnet wurde es vom Substituten des Staatssekretariats als Vertreter des Papstes, Erzbischof Edgar Pena Parra. Adressiert war es an den Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Matteo Zuppi.
Zuppi ist zugleich Erzbischof von Bologna, der Hauptstadt der am stärksten von den Überschwemmungen betroffenen Region Emilia-Romagna. Den Rettungskräften dankte der Papst in seinem Telegramm ausdrücklich. Die italienische Bischofskonferenz hatte bereits am Dienstag den Betroffenen ihre Unterstützung zugesichert.
21 Flüsse sind im Katastrophengebiet über die Ufer getreten, 22 weitere stehen kurz vor dem Überlaufen. In den Apenninengemeinden der Region Emilia Romagna wurden 250 Erdrutsche, davon 150 schwere, gemeldet. In Faenza stiegen Menschen auf die Dächer ihrer Häuser, um sich vor den Flutwellen zu retten. Einige Personen wurden von Hubschraubern in Sicherheit gebracht. In mehreren Teilen der Stadt kam es zu Stromausfällen, auch bei den Telefonverbindungen gab es Probleme. Am Donnerstag gingen dort Evakuierungen weiter.
Evakuierungsbefehl in der Provinz Ravenna ausgesprochen
In der Provinz Ravenna wurde wegen der hohen Überschwemmungsgefahr ein sofortiger Evakuierungsbefehl ausgesprochen. Zwar wurden kaum noch Regenschauer erwartet, dennoch rief der italienische Zivilschutz weiter zu großer Vorsicht auf. Schwere Schäden gab es auch in der Adria-Badeortschaft Cervia.
Mehrere Häuser und Betriebe in der Provinz Ravenna wurden wegen Überschwemmungsgefahr geräumt. Die Stadtverwaltung von Ravenna forderte mit Unterstützung der örtlichen Polizei in der Nähe von Flüssen wohnende Bürger auf, sich in die oberen Stockwerke zu begeben, wie italienische Medien berichteten. Es wurden Unterkünfte in Sporthallen angeboten. In der Kleinstadt Castel Bolognese, in der es Probleme mit der Trinkwasserversorgung gab, wurden mehrere Bürger aus ihren Wohnungen evakuiert. Trinkwasser wurde mit einem Tankwagen verteilt.
"Mehr als 10.000 Menschen" evakuiert
Der Vizepräsidentin der Region, Irene Priolo, zufolge wurden "mehr als 10.000 Menschen" evakuiert. 27.000 Einwohner der Katastrophenregion waren laut der Zivilschutzbehörde ohne Strom. Im Bahnsystem kam es zu Verspätungen, die auch die Hochgeschwindigkeitszüge auf der Nord-Süd-Achse Mailand-Rom betrafen. Eine 14 Kilometer lange Schlange bildete sich auf der Autobahn A1 "Autostrada del Sole" auf einer Apenninstrecke unweit von Bologna - nach einem Erdrutsch war nur mehr eine einzige Fahrspur befahrbar. Laut dem Präsident der Region Emilia Romagna, Stefano Bonaccini, wurden 280 Erdrutsche in 60 Gemeinden gemeldet. 400 Straßen seien beschädigt worden. Die Schäden bezifferte er in Milliardenhöhe.
Die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni will der Region Emilia Romagna unter die Arme greifen. Sie berief für Dienstag (23. Mai) eine Ministerratssitzung ein, bei der finanzielle Hilfen für die vom Unwetter-Notstand betroffenen Gebiete locker gemacht werden sollen. Mindestens zehn Millionen Euro will das Kabinett für erste Maßnahmen zur Verfügung stellen. Außerdem sollen strukturelle Maßnahmen gegen Erdrutsche und Überschwemmungen diskutiert werden. Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin kündigte an, dass die Regierung den Notstand für die Emilia Romagna ausrufen werde. Damit sollen Gelder zügiger locker gemacht und bürokratische Hürden umgangen werden. Außerdem will die italienische Regierung die EU-Kommission um den Zugang zum europäischen Solidaritätsfonds für Katastrophen bitten.