Nach bereits mehrfach gescheiterten Anläufen soll die Brücke von Messina, die längste Hängebrücke der Welt, Realität werden. Das italienische Parlament wird in diesen Tagen über das von der Regierung kürzlich erlassene Dekret entscheiden. Da die Rechtskoalition sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat über eine stabile Mehrheit verfügt, gilt eine Zustimmung für den Bau so gut wie sicher.
Sponsor des Projektes ist Matteo Salvini, Transport- und Infrastrukturminister der Regierungspartei Lega. Er kündigte an, dass mit dem Bau bereits 2024 begonnen und das Projekt 2032 fertiggestellt sein soll.
Am Wochenende hatte der Minister in letzter Minute die Kosten noch kurz korrigiert. Infolge der hohen Inflation und den stark gestiegenen Baustoffkosten soll das Projekt nun 14,4 Milliarden Euro kosten – um 4,5 Milliarden Euro mehr als zuvor kalkuliert. Salvini argumentiert, dass durch die Brücke und die damit ermöglichte durchgehende Eisenbahnverbindung von Neapel nach Palermo "die historische Isolierung Siziliens" behoben wäre.
Finanzierung nicht gesichert
Die Finanzierung ist derzeit nicht gesichert. Fraglich ist auch, ob die EU der Wahl des bereits 2016 bestimmten Auftraggebers (Webuild, ehemals Gruppe Salini Impregilo) und einer etwaigen Teilfinanzierung zustimmen werde. Transportminister Salvini betonte, dass diejenigen, die die Ausschreibung 2006 gewonnen hatten, "höchstwahrscheinlich" mit der Fortsetzung des Projektes beauftragt werden. Und dies, obwohl sich mehrere internationale Unternehmen, unter anderem auch chinesische, um den Auftrag bemühten.
Nicht nur die politische Opposition, auch Umwelt- und Tierschützer kritisieren den Bau. Der World Wildlife Fund hat sich klar gegen eine Wiederaufnahme des Projektes ausgesprochen, das bereits 2012 vom damaligen Ministerpräsidenten Mario Monti boykottiert worden war. Es gibt auch geophysikalische Einwände: Die Straße von Messina ist eine der erdbebengefährdetsten Zonen Italiens.
Syndikate infiltrieren Bauprojekte
In italienischen Medien wird auch auf die Gefahr verwiesen, dass das organisierte Verbrechen, die Cosa Nostra (Sizilien) und ’Ndrangheta (Kalabrien) bei der Auftragsvergabe mitmischen könnten. Bislang hatten die beiden Syndikate hervorragende Leistungen bei der Infiltration von Bauprojekten erbracht.
In einer kürzlich vom Thinktank Nomos Center veröffentlichten Studie wird davor gewarnt, dass Teile des Projektes, wie etwa Transport und Versorgung, unter kriminelle Kontrolle geraten könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass die beteiligten Firmen zu Schutzgeldzahlungen an die Mafiaorganisationen erpresst werden könnten.
Auf der 3,6 Kilometer langen Brücke sollen in beiden Richtungen drei Fahrspuren führen – zwei für den Verkehr und eine für Notfälle. In der Mitte sind Bahngleise geplant. Pro Stunde sollen 6000 Autos und Lkw, und pro Tag 200 Züge die Brücke passieren können.
Thesy Kness-Bastaroli (Mailand)