In Serbien werden heute, Samstag, zehn der 17 Opfer der zwei tödlichen Schusswaffenangriffe beerdigt, weitere Begräbnisse folgen am Sonntag und Montag. Mit weißen Ballons und Blumen haben sich Familie, Schulfreunde und Lehrer am Vormittag auf dem Belgrader Neuen Friedhof von einer der ersten der Getöteten verabschiedet, einer Schulfreundin des 13-jährigen Amokläufers. Im Laufe des Tages sollen in Belgrad drei weitere Schüler und der Wachmann beigesetzt werden.
Im Dorf Malo Orasje werden ebenfalls am Samstag fünf Opfer der Schüsse vom Donnerstagabend beigesetzt werden. Nach Angaben von Gesundheitsministerin Danica Grujicic schwebten fünf von insgesamt 21 Verletzten am Samstag noch immer in Lebensgefahr.
"Terroristischer Akt"
Der 21-jährige Verdächtige, der für den Tod von acht Personen und 14 Verletzten verantwortlich sein soll, befand sich weiterhin in einem 48 Stunden dauernden Polizeigewahrsam. Er soll spätestens bis Sonntagnachmittag von einem Untersuchungsrichter einvernommen werden. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic bezeichnete die Bluttat als "terroristischen Akt", eine Qualifizierung, die von Experten angezweifelt wird, ein Motiv für die Tat ist weiterhin unbekannt.
Vater des Todesschützen in U-Haft
Der 13-Jährige, der am Mittwoch in der Volksschule acht Mitschüler und einen Wachmann getötet und sieben weitere Personen verletzt haben soll, befand sich im Krankenhaus. Über seinen Vater, der ihm das Schießen beigebracht haben soll, wurde nach der Einvernahme am Freitag eine 30-tägige Untersuchungshaft verhängt. Wegen "schwerer Gefährdung der allgemeinen Sicherheit" drohen dem Arzt und Waffensammler bis zu zwölf Jahre Haft.
Vor der Volksschule haben sich am Freitag lange Warteschlangen von Menschen gebildet, die sich in das Trauerbuch eintragen wollen. Der Belgrader Bürgermeister Aleksandar Sapic forderte unterdessen die Mitbürger auf, bis Sonntagmitternacht Blumen auch vor dem Alten Schloss, dem Sitz der Stadtverwaltung, niederzulegen. Regierungskritische Medien vermerkten die Abwesenheit von Behördenvertretern vor der Volksschule als "Mangel an Empathie". Dort legen Bürger und Jugendliche schon seit Mittwoch Blumen nieder und zünden Kerzen an.
Strengere Waffenkontrolle
Präsident Vucic hatte am Freitag weitere strengere Maßnahmen zur Waffenkontrolle angekündigt. Die Zahl der legalen Waffen soll von derzeit 400.000 - exklusive Jagdgewehren - auf 30.000 verringert werden. Schon am Mittwoch hatte Vucic mitgeteilt, dass sich in Serbien rund 700.000 Stück Waffen, Jagdgewehre eingeschlossen, in legalem Privatbesitz befinden. Die Zahl der illegal in Besitz befindlichen Waffen ist unbekannt. Der Verdächtige aus Mladenovac hatte nach Polizeiangaben ein beträchtliches Waffenarsenal besessen.
Filip Svarm, Chefredakteur der regierungskritischen Wochenzeitschrift "Vreme", bekundete gegenüber dem TV-Sender N1 die Befürchtung, dass die Kontrollmaßnahmen die Zahl illegaler Waffen steigen lassen könnte. Das Innenministerium forderte Besitzer von Waffen auf, diese bis 8. Juni straffrei abzugeben. Dass die Aktion erfolgreich sein könnte, glaubt in Serbien, das mit illegalem Waffenbesitz schon seit den Kriegen der Neunzigerjahre konfrontiert ist, kaum jemand. Die serbische Gesellschaft fühle sich derzeit atemlos wie nach einem Schlag in den Magen, beschrieb Svarm die aktuelle Situation nach den Schusswaffenattentaten. Es brauche radikale Änderungen, sagte unterdessen die Lehrerin Maja Vukic.
Verunsicherung in der Bevölkerung
Am Montag soll in der Volksschule "Vladislav Ribnikar" der Unterricht wieder aufgenommen werden. Auch wenn dem Schulpersonal, den Schülern und deren Eltern in den vergangenen Tagen psychologische Hilfe angeboten wurde, fühlten sich viele verunsichert.
Unweit der Schule befindet sich das Gebäude, an dem seit Jahren eine Abbildung des bosnischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic angebracht ist. Alle Versuche nicht-staatlicher Organisationen, sie beseitigen zu lassen, sind bisher gescheitert. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Mladic, der Hauptverantwortliche für das Massaker von Srebrenica, ist für viele Serben ein Volksheld.