Papst Franziskus hat bei einer Heiligen Messe in Ungarns Hauptstadt Budapest die Gläubigen zur Offenheit aufgefordert. Es sei traurig und tue weh, "verschlossene Türen gegenüber Menschen zu sehen", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche Sonntag früh während des Gottesdiensts auf dem Kossuth-Platz. Er kritisierte vor allem die "verschlossenen Türen gegenüber Fremden, den Anderen, den Migranten, den Armen". "Bitte: Öffnen wir die Türen", sagte er vor rund 50.000 Besuchern.
Der 86-jährige erinnerte auch an diejenigen, die in Leid und in Armut leben oder "aus der Reihe tanzen". "Füreinander offen und integrierend sein, um Ungarn zu helfen, in der Geschwisterlichkeit zu wachsen, die der Weg des Friedens ist", sei das Gebot der Stunde. Seine Äußerungen in Ungarn wurden zuvor mit Spannung erwartet. Der Appell, die Türen zu öffnen, könnte als Kritik an der Abschottungspolitik des ungarischen Ministerpräsidenten, Viktor Orbán, gegenüber Schutzsuchenden gedeutet werden. Orbán lehnt die Einwanderung von Migranten ab und ließ deswegen Zäune an der Grenze zu Serbien errichten. Er sieht sich selbst als Beschützer der christlichen Werte.
Nach dem Gebet erwähnte Franziskus erneut den Frieden und erinnerte an das "gepeinigte ukrainische Nachbarvolk und das russische Volk". Er plädierte für eine "Zukunft der Hoffnung und nicht des Krieges" und eine "Welt der Geschwisterlichkeit und nicht der Mauern".
Zigtausende Gläubige
Auf dem Platz vorm ungarischen Parlament fanden rund 25.000 Menschen Platz. Tausende Gläubige verfolgten die Messe auch außerhalb des Areals auf Großbild-Leinwänden. An der Messe nahm zudem die ungarische Staatsspitze teil - Staatspräsidentin Katalin Novák sowie Ministerpräsident Viktor Orbán saßen im Publikum. Anwesend war ebenso der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony, den der Papst am Samstag noch empfangen hatte. Der grün-liberale Karácsony ist ein wichtiger politischer Gegenspieler des extremrechtspopulistischen Orbán.
Unter Jubel und Applaus war Franziskus zuvor in seinem berühmten Papamobil durch die Reihen der Besucher und Gläubigen gefahren. Laut offiziellen Angaben säumten bis zu 80.000 Menschen die Straßen. Er begrüßte die Anwesenden und küsste und segnete auf dem Weg einige Babys, die ihm in das Papamobil gereicht wurden. "Es ist etwas sehr Besonderes, den Papst so nah zu sehen", sagte der 21-jährige Student Levente Kiss. "Er ist in meinem Leben sehr wichtig", sagte ein weiterer Zuschauer, nachdem Franziskus an ihm vorbeigefahren war.
Einsamkeit und Isolation durch Gewinnstreben
Die Messe bildete den feierlichen Abschluss seines Ungarn-Besuchs. Bei einem anschließenden Besuch der katholischen Universität "Peter Pazmany" am Sonntag prangerte der Papst eine "Logik des 'es ist machbar, also ist es erlaubt'", eine Beherrschung des Menschen durch Technik an. Stünde nur noch der Einzelne und das Gewinnstreben im Mittelpunkt, zersetzten sich menschliche Bindungen. Dies führe zu Einsamkeit und Isolation.
Laut Franziskus entsteht so ein Teufelskreis, denn die "isolierten Individuen" griffen dann zum Trost wieder zur Technik und sozialen Medien, um die Leere zu füllen. Die anwesenden IT- und Bionik-Wissenschafter rief er dazu auf, die eigenen Grenzen zu erkennen. So würde man kreativ und tauche dabei in die Welt ein, statt sie zu beherrschen, so Franziskus. Ausgehend von der demütig machenden Erfahrung der eigenen Begrenztheit, ließen sich die eigenen wunderbaren Potenziale entdecken, die weit über die der Technik hinausgingen. Der Besuch an der Hochschule war der letzte Programmpunkt der Ungarnreise von Papst Franziskus.
Besuch vom Krieg geprägt
Der zweite Besuch des Papstes in Budapest war geprägt vom Krieg in der benachbarten Ukraine. Bei einem Treffen mit Geflüchteten aus der Ukraine dankte der Pontifex Ungarn für die Aufnahme der Menschen und warnte vor den "Übeln der Gleichgültigkeit". Die mahnenden Worte des Papstes ließen sich im Kontext der ungarischen Flüchtlingspolitik deuten. Die Regierung des rechtsnationalistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban verfolgt eine strikte Antimigrationspolitik.
Nach einer kurzen Abschiedszeremonie am Flughafen, verlässt das Kirchenoberhaupt am Abend gegen 18 Uhr Budapest. Gegen 20 Uhr wird er in Rom zurückerwartet. Die dreitägige Visite in dem osteuropäischen Land war die 41. Auslandsreise des amtierenden Papstes. Wenn es seine Gesundheit zulässt, möchte Franziskus in diesem Jahr noch Lissabon, Marseille und die Mongolei besuchen. Für 2024 stehen - noch inoffiziell - Indien und Argentinien auf dem päpstlichen Reise-Wunschzettel.